„Hallo. Komm doch bitte herein.“ Mit diesen Worten lädt uns stellvertretend für Oliver Jeffers ein blauhaariges Mädchen mit gelbem Streifenkleid zu einer Gespenstersuche der besonderen Art ein. Das Bilderbuch „Da ist ein Gespenst im Haus“ verbindet gezeichnete Elemente, Fotografien und transparente Seiten zu einem außergewöhnlichen Versteckspiel. – Von Bücherstädterin Melanie
Der Glaube an Gespenster inspirierte den irischen Künstler und Autor Oliver Jeffers zu seinem neuesten Bilderbuch. Er lässt seine Protagonistin auf der Suche nach Geistern ein im Jahr 1760 erbautes Haus auf den Kopf stellen. Als einziger Farbklecks zwischen ansonsten in Schwarz-Weiß und Sepia gehaltenen Buchseiten durchkämmt das bläulich-grüne Mädchen bei seiner Gespensterjagd Flure, Wohn- und Schlafzimmer, den Dachboden und sogar das Badezimmer einer alten Villa. Doch weder im Kamin, noch hinter Schränken oder unter Betten wird sie fündig.
„Vielleicht kannst du mir helfen?“
Anders geht es den Leser- und Betrachter*innen: Dank milchiger Transparentseiten mit aufgemalten Geistern können sie die Spukgestalten im Kronleuchter schwingend, unter Tischen versteckt oder auf dem Bett hüpfend entdecken. Der kreative Einsatz der Transparentseiten und die direkte Ansprache ermuntern, die Suche des Mädchens aktiv zu unterstützen und schon vor dem Umblättern die Verstecke der Gespenster zu erraten.
„Besonders hervorzuheben ist das hervorragende Design des Kaminholzkorbs.“
Nicht nur die Transparentseiten machen dieses Bilderbuch besonders. Die Illustrationen entstanden, so kann man es dem Kleingedruckten entnehmen, durch „jahrelanges Sammeln alter Architekturbücher und Möbelkataloge und unzählige Stunden des Herumschmökerns auf der Suche nach speziellen Details“. Die Mühe hat sich eindeutig gelohnt, denn dank ihr verbinden sich Raum-Fotografien, die Zeichnungen von Jeffers und kurze Textelemente auf weißem Grund zu einem genialen Ganzen. Wer genau hinsieht, findet neben den wenig gruseligen Geistern auch architektonische Informationen, die meist keinen Beitrag zur Erzählung leisten.
„Ich weiß noch nicht einmal genau, wie ein Gespenst aussieht.“
Jeffers Bilderbuch lässt mehrere Lesarten und Interpretationen zu, wodurch es nicht nur die kleinen Geisterjäger*innen anspricht: Die Erzählung endet mit der enttäuschten Vermutung der Ich-Erzählerin, dass sie nie ein Gespenst sehen wird. Das Nachsatzpapier gibt jedoch Anlass zur Hoffnung, denn das Gespenst, das auf der letzten Buchseite ruhig an seiner Teetasse nippt, hat diese auf dem Nachsatzpapier dem Mädchen gegenüberstehend ertappt fallengelassen.
Auch die Kombination des ansonsten menschenleeren Hauses aus dem 18. Jahrhundert, in dem „schon eine ganze Weile kein[] Besuch mehr“ empfangen wurde, und der Buchtitel, in dem von EINEM Gespenst die Rede ist, lassen Raum für Spekulationen: Sind am Ende gar nicht die weißen Gestalten, die Geister des Hauses, sondern das bunte Mädchen, das eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Porträt einer jungen Frau auf der letzten Buchseite hat?
„Ich habe schon alle Zimmer in diesem Haus durchstöbert.“
Spielerisch, rätselhaft und, dem recht düsteren Cover widersprechend, überhaupt nicht gruselig präsentiert Oliver Jeffers eine Gespensterjagd der besonderen Art, bei der Haus und Buch gern mehrmals nach ihren einzigartigen Details abgesucht werden dürfen.
Da ist ein Gespenst im Haus. Oliver Jeffers. Übersetzung: Katharina Naumann. Von Hacht. 2023. Ab 4 Jahren.
Ein Beitrag zum Themenjahr #MonsterBK.
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