Protest gegen die triste Monotonie

von | 28.03.2024 | Bilderbücher, Buchpranger

Die Geschichte von Torben Kuhlmanns neuem Buch „Die graue Stadt“ ist düster und ganz anders als seine bekannten „Mäuseabenteuer“, aber mindestens genauso beeindruckend und lehrreich, findet Seitentänzerin Michelle-Denise.

Als Robin mit ihrem Vater in die Stadt zieht, ist alles so anders, so grau. Aus Protest gegen die Farblosigkeit und ihren neuen Wohnort beschließt das Mädchen, immer ihren leuchtend gelben Regenmantel zu tragen. Schnell fällt Robin ihrer neuen Umgebung negativ auf, weil sie sich augenscheinlich nicht an die neuen Gegebenheiten anpassen will. Durch die stete Bedrohung der grauen Ordnung im Alltag versucht sie herauszufinden, welches Geheimnis die Grauwerke hinter den großen Mauern verstecken.

Überwachungs- und Kontrollstadt

Protagonistin Robin ist nicht nur die „Neue“ in der Nachbarschaft, sie sticht außerdem durch ihre farbenfrohe Jacke aus der monotonen Masse heraus. Die Art und Weise, wie sie in der Schule zunächst nur von den Mitschülern beäugt wird, erweckt den Eindruck, dass die Kinder einfach nur interessiert an der neuen Klassenkameradin sind. Jedoch verfliegt dieses Gefühl schnell, als Robin allein auf Grund ihrer scheinbaren Andersartigkeit nachsitzen muss. Die beschriebenen Maßnahmen zur Verinnerlichung von Regeln durch graue Erklärvideos ließen mich an erzieherische Maßnahmen aus der Zeit des Nationalsozialismus denken. Diese diktatorisch anmutende Erziehung steigert sich noch, als dem Mädchen innerhalb des Wohnhauses der Aufstieg zur Treppe durch einen Nachbarn verwehrt wird und dieser damit direkt in die Privatsphäre des Kindes eindringt. Sein umfangreiches Wissen über Robin weist zudem auch Parallelen zur Tätigkeit der Staatssicherheit der DDR auf.

Graue Farbpalette

Anders als die „Mäuseabenteuer“, ist Torben Kuhlmanns neues Buch eine düstere, schwermütige Geschichte, die durchaus Interpretationen zu politischen Entscheidungen aus der Vergangenheit zulässt und kritisiert. Besonders in der heutigen Zeit, in der Diversität und Rassismus mehr denn je thematisiert werden, zeigt dieses Buch, was passiert, wenn man der Stadt die Farbenvielfalt entzieht. Zudem werden den Bürgern strikte Regeln auferlegt, die die persönliche Entfaltung eines jeden einzelnen stark einschränken. Die bedrohliche Geschichte wird dabei durch detailreiche Bilder von Kuhlmann in einer düsteren Version seines unnachahmlichen Zeichenstils illustriert. Während die Farbpalette bei den „Mäuseabenteuern“ durch warme Farben dominiert wird, bedient er sich in diesem Buch fast ausschließlich an sämtlichen Graustufen. Nur selten finden bunte Farbkleckse (im wahrsten Sinne des Wortes) Einzug in die Illustrationen.

Für meinen Geschmack findet die Geschichte ein allzu schnelles Ende, aber wahrscheinlich ist genau das die Absicht des Autors gewesen. „Die graue Stadt“ ist ein Kinderbuch mit einer Botschaft, die die großen und kleinen Lesenden nach der Lektüre erstmal auf sich wirken lassen müssen. Durch das offene Ende kann jeder für sich überlegen, wie sich die Lage in der grauen Stadt weiterentwickeln könnte und welchen Beitrag jeder dazu beitragen kann, die Stadt durch bunte, leuchtende Farben zu bereichern.

Die graue Stadt. Torben Kuhlmann. NordSüd. 2023. Ab 8 Jahren.

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Michelle-Denise Oerding

Michelle-Denise Oerding

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