Fünf Kritikerinnen, die 100 Autorinnen auswählen und in kurzen Porträts vorstellen. Simpel und durchaus gelungen, findet Satzhüterin Pia, übt aber auch deutliche Kritik an dem Sachbuch.
Angefangen mit Leila Slimani (geboren 1981), beendet mit Sappho (geboren um 617 v.Chr.), dazwischen 98 andere große und kleine Autorinnen nach den Geburtsjahren abgestuft: Ihre bemerkenswerten Biografien stellen Verena Auffermann, Julia Encke, Gunhild Kübler, Ursula März und Elke Schmitter in dem Sachbuch „100 Autorinnen in Porträts“ vor. Der Streifzug durch die (weibliche) Literaturgeschichte ist breit gefächert, ein bunter Strauß spannender Einblicke, die inspirieren, neugierig machen und weit mehr als eine Aneinanderreihung biografischer Daten sind.
Das generische Maskulinum
Die vorgestellten Schriftstellerinnen bringen schon jede Menge Vielfalt mit sich, die durch die verschiedenen Verfasserinnen zusätzliche stimmliche Abwechslung erhalten. Damit kommen wir auch direkt zu meinem wichtigsten Kritikpunkt: Warum wird bitte in einem Buch über AutorINNEN so oft das generische Maskulinum verwendet? Nicht alle Menschen mögen gendern, das ist in Ordnung. Aber wenn ich (und dann auch noch in so einem Rahmen wie diesem Sachbuch über schreibende Frauen) die Biografie von Juli Zeh lese und von „drei der populärsten Schriftsteller“ lese, in deren Reihe Zeh genannt wird, finde ich das ziemlich deplatziert. Wo wäre es bitte angebrachter als hier, Frauen nicht mehr einfach nur „mit zu meinen“, frage ich mich.
Auch an anderen Stellen zeigt sich wieder deutlich, dass wir in einem Patriarchat leben. Das Maß der Dinge bleibt auch in diesem Buch scheinbar der Mann: „Juli Zeh steht nicht in dieser Tradition. Sie steht in der eines Günter Grass“, heißt es beispielsweise auf Seite 37.
Immer dort, wo es um Schwarze Schriftstellerinnen, Schwarze Kulturen geht, störe ich mich daran, dass Schwarz hier eben nicht großgeschrieben wird. Dabei gibt es zu diesem Thema inzwischen jede Menge Literatur – ebenfalls von Frauen geschrieben und herausgebracht – die diese Wissenslücke füllen kann. Im gleichen Atemzug wird weiß ebenfalls als normales, nicht hervorgehobenes Adjektiv genutzt. Wer nicht weiß, was damit gemeint ist, darf sehr gerne hier weiterlesen: „Schwarz wird großgeschrieben“.
Wachsende Leselisten
All diese Kritik bezieht sich auf den Sprachgebrauch der Journalistinnen und mindert wenigstens teilweise das Lesevergnügen. Aber auch mit diesen Stolperfallen, an denen zumindest ich mich beim Lesen gestört habe, sind die Biografien nicht weniger bemerkens- oder lesenswert. Denn Achtung, solltet ihr so schon kaum dem Stapel von ungelesenen Büchern hinterherkommen: Die Bücherliste wächst bei jeder Seite, die man liest. Versprochen!
Mein Fazit: Das Buch bringt Spannung, Vielfalt und Lesevergnügen mit sich. Die inspirierenden Biografien von so unterschiedlichen Schriftstellerinnen sind wirklich lesenswert und laden dazu ein, mal hierhin und mal dorthin zu blättern, eine festgeschriebene Reihenfolge gibt es schließlich nicht. Bei den kritisierten Punkten gibt es aus meiner Sicht aber Luft nach oben, hier würde ich mir wirklich Korrekturen oder Überarbeitungen wünschen. Vielleicht ja in einer zweiten Auflage – denn diese wünsche ich dem Buch in jedem Fall.
100 Autorinnen in Porträts. Von Atwood bis Sappho, von Adichie bis Zeh. Autorinnen: Verena Auffermann, Julia Encke, Gunhild Kübler, Ursula März, Eike Schmitter. Piper. 2023.
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