„Momo. Ein Bilderbuch“

von | 07.02.2024 | Bilderbücher, Buchpranger

Mehr als 50 Jahre ist die Geschichte um Momo und die gestohlene Zeit inzwischen alt. An Aktualität hat der Märchen-Roman, der zu den bekanntesten deutschsprachigen Kinderbüchern zählt, jedoch nicht verloren. Bücherstädterin Melanie hat sich die neuerschienene Bilderbuchfassung des Klassikers angesehen und ist, obwohl sich einiges verändert hat, positiv überrascht.

Momos Kampf mit den Agenten der Zeitsparkasse ist ein Weltbestseller und wurde bereits mehrfach adaptiert. Hörspiel, Hörbuch, Film und (Marionetten-)Theater wurden zum 50. Jubiläum von Michael Endes Erzählung um eine Bilderbuchfassung von Simona Ceccarelli und Michael Gutzschhahn erweitert. Auf 32 Bilderbuchseiten erzählt das Duo auf ganz eigene Weise von dem außergewöhnlichen Mädchen.

„Momo“ ohne Kassiopeia, ohne Meister Hora und ohne die grauen Herren – geht das?

Doch weil sich Momos Geschichte unmöglich auf so wenige Seiten komprimieren lässt, stellt die vorliegende Bilderbuchfassung lediglich den Anfang des Romans dar: Gutzschhahn erzählt von Momos Ankunft im Amphitheater, ihrer besonderen Fähigkeit zuzuhören, jedem ohne Vorurteile zu begegnen und von ihrer Freundschaft zu Gigi Fremdenführer und Beppo Straßenkehrer. Dabei greift er den Ton Endes auf eindrucksvolle Weise auf. Schnell ist vergessen, dass es sich nicht um Endes Worte handelt und nur zu gern schenkt man dem Buch – Momos Beispiel folgend –die volle Aufmerksamkeit.

Durch die Verkürzung bleiben jedoch nicht nur die Schildkröte Kassiopeia und der wundersame Meister Hora auf der Strecke, auch Momos Kampf gegen die Zeitdiebe und viele der gesellschaftskritischen Elemente des Originals gehen verloren. Die Fragen danach, was uns Zeit raubt, wo Unachtsamkeit und Stress ihren Ursprung finden und wie dagegen vorzugehen ist, bleiben ungefragt.

Surreale Bildwelten zum Innehalten und Entschleunigen

Simona Ceccarelli tritt mit ihren Bildern in die Fußstapfen von Michael Ende und Friedrich Hechelmann, wählt jedoch einen ganz eigenen Stil, um Momos Welt zu visualisieren. Ihre Bilder sind opulent und Figuren und Handlungen eindrucksvoll in Szene gesetzt. Geschickt kombiniert Ceccarelli die detailreichen, doppelseitenfüllenden Bilder mit kleinen Bildfolgen, ähnlich dem Comicstrip, ohne sie zu überladen. Realität und Fantasie gehen dabei Hand in Hand. Gemeinsam mit Gutzschhahns Text entsteht ein harmonisches Ganzes, das beim Betrachten Stress und Hetze des Alltags schnell vergessen lässt. Träumerisch kann man sich der Neuinterpretation von Endes Meisterstück hingeben.

Ein bildgewaltiger Eintritt in Momos Welt

Simona Ceccarelli und Michael Gutzschahn haben ein Bilderbuch geschaffen, das von Nächstenliebe und Achtsamkeit erzählt, das die Stärke des Zuhörens herausstellt und die Bedeutung des Miteinanders betont – dem Werk Michael Endes gar nicht unähnlich. Vertraut und zugleich fremd wirkt „Momo“ in diesem neuen Gewand, denn der zentrale Kampf gegen die grauen Herren und das Rätsel um die Zeit verschwinden in dieser Fassung und damit entscheidende Komponenten des Romans. Das ist schade, durch die Verknappung gelingt es dem Künstlerduo jedoch, die wundersame Momo und ihre Fähigkeiten auch einem jüngeren Publikum zugänglich zu machen. Bereits ab sechs Jahren empfohlen ist „Momo. Ein Bilderbuch“, eine Einladung zur Ruhe zu kommen und sich auf das Miteinander zu konzentrieren – ein gelungener Einstieg in Momos Welt.

Und diejenigen unter uns, die die ganze Geschichte um die gestohlene Zeit kennen, und wie ich liebgewonnene Figuren und kritische Handlungsstränge vermissen, ist dieses Bilderbuch eine kurzweilige Erinnerung daran, dass man nie an die ganze Straße auf einmal denken sollte.

„Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein. ”

Momo. Ein Bilderbuch. Michael Ende. Illustration: Simona Ceccarelli. Textbearbeitung: Uwe-Michael Gutzschhahn. Thienemann-Esslinger Verlag. 2023. Ab 6 Jahren.

Melanie Trolley

Melanie Trolley

Die Leidenschaft für das geschriebene Wort hat Melanie nach Bremen und dort an die Uni verschlagen. Das Studium der Germanistik hat ihr einen veränderten Blick auf Bekanntes ermöglicht, die Augen für Neues geöffnet und Begeisterung fürs Bilderbuch entfacht. Als Texterin arbeitet Melanie täglich daran, die richtigen Worte zu finden – im Beruf vorerst ohne literarische Berührungspunkte.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir sind umgezogen!

Wir sind kürzlich umgezogen und müssen noch einige Kisten auspacken. Noch steht nicht alles an der richtigen Stelle. Solltet ihr etwas vermissen oder Fehler entdecken, freuen wir uns über eine Nachricht an mail@buecherstadtmagazin.de – vielen Dank!

Newsletter

Erhaltet einmal im Monat News aus Bücherstadt. Mehr Informationen zum Newsletter gibt es hier.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner