„Gute Antagonisten müssen immer der Held ihrer eigenen Geschichte sein“

Foto © Martin Steffen; kaimeyer.com *Klick*

Sieh mal an, wen Bücherstädterin Alexa auf der Leipziger Buchmesse getroffen hat: Niemand geringeres als KAI MEYER. Die Chance hat sich die Bücherstadt nicht entgehen lassen und dem beliebten Fantasy-Autoren ein paar Fragen gestellt.

Bücherstadt Kurier (BK): Wie kommst Du auf deine Ideen?

Kai Meyer (KM): Es gibt Ideen, die kommen tatsächlich einfach aus dem Blauen. Und dann gibt es welche, die muss ich mir erarbeiten. Das sind dann Ideen, die sich aus der Recherche entwickeln. Wenn ich zum Beispiel weiß, wie im Fall der Arkadien-Bücher, ich möchte über die Mafia schreiben, dann nehme ich mir zu diesem Thema eine Menge Fachliteratur vor. Und beim Lesen der Bücher entstehen neue Ideen, weil ich von morgens bis abends über dieses Thema nachdenke. Je intensiver ich mich damit auseinandersetze, desto mehr Einfälle habe ich. Ganz zwangsläufig, nehme ich an.

BK: Musstest Du Ideen auch schon mal verwerfen?

KM: Ja, ständig. Ich habe zu jedem Buchprojekt Notizbücher und Dateien voll mit Stichwörtern und kurzen Sätzen, und einen Teil davon benutze ich, aber ganz vieles fällt unter den Tisch.

BK: Wie entstand die Idee zu „Asche und Phönix“?

KM: Ich wollte über einen Teufelspakt schreiben, weil er in der phantastischen Literatur ein wenig aus der Mode gekommen ist, ich aber die Motivationen für einen solchen Pakt so spannend finde. Ich wollte ihn in einen Kontext von Film und Berühmtheit setzen – Ruhm als Preis, um den es bei diesem Teufelspakt gehen sollte. So kam ich auf ein Wesen, das sich von Ruhm ernährt, aber eigentlich doch selbst nur Künstler sein möchte. Das Interessante an Libertique ist, dass er nicht einfach böse ist, sondern im Grunde sehr menschliche Motive hat: Er will Kunst erschaffen und dafür anerkannt werden. Und gerade das bleibt ihm von Natur aus verwehrt. Gute Antagonisten müssen immer der Held ihrer eigenen Geschichte sein. Sie müssen sich selbst im Recht sehen und genau wissen, warum sie all diese Dinge tun. Libertique ist uralt, er liebt große Kunst, und er träumt seit Jahrtausenden davon, selbst welche zu produzieren. Weil es ihm nicht gelingt, ernährt er sich von der Energie anderer Künstler und saugt ihre Talente in sich auf. Und trotzdem bringt er niemals etwas Eigenes zustande.

BK: Aber warum ist das so?

KM: Wenn man mit übernatürlichen Wesen arbeitet, muss man Regeln aufstellen, weil sonst alles möglich und somit sehr schnell langweilig wäre. Und eine der Grundregeln, die ich für Libertique festgelegt habe, ist die: Er kann immer nur verzerrte Abbilder von sich selbst erschaffen. Alles, was er zustande bringt, ist letztlich eine Karikatur seiner selbst. Was ihn in gewisser Weise – vor allem aus seiner eigenen Sicht – zu einer tragischen Figur macht.

BK: Wie kamst Du eigentlich auf Namen wie Libertique, Guignol und Chimena?

KM: Guignol ist der Name des französischen Kaspers im Puppentheater. Die beiden anderen habe ich wegen ihres Klangs ausgewählt.

BK: Du warst für „Asche und Phönix“ auch an der Cote d’Azur. Wie war es da für Dich? Konntest Du Deine Eindrücke auch im Buch umsetzen?

KM: Sicher. Das ist immer eine Mischung aus Recherche und Urlaub. Ich habe vorher eine Menge über die Gegend gelesen und mir vieles auch im Internet angeschaut. Als ich dann dort war, bin ich die Strecke abgefahren und habe mir überlegt: An diese Straße setze ich die Villa, hier passiert jenes und dort etwas anderes. Ich habe viele Notizen und Fotos gemacht. Parkers Haus, „Le Mepris“, gibt es wirklich, aber ich habe es nur im Vorbeifahren gesehen und hab keine Ahnung, wie es von innen aussieht. Ich habe einfach nur am Straßenrand gehalten, ein Foto gemacht und mir gedacht: Das also ist Parkers Versteck.

BK: Ash und Parker sind die Hauptpersonen. Wie bist Du darauf gekommen, diese zwei so gegensätzlichen Personen in die Geschichte einzubringen?

KM: Gegensätzliche Figuren machen Geschichten interessanter. Spannung ergibt sich aus Konflikten. Das heißt, ich musste zwei Figuren entwickeln, die grundsätzlich völlig unterschiedlich sind und Einstellungen haben, die einander widersprechen. Also Parker, der berühmt und in den Medien präsent ist, und Ash, die unsichtbar bleiben will und am liebsten hätte, dass kein Mensch sie wahrnimmt. Und ausgerechnet sie gerät an Parker und taucht in allen Zeitungen auf. Das ist für Ash natürlich der Alptraum schlechthin, und sie gibt ihm zunächst auch die Schuld daran, was erst einmal nicht dafür spricht, dass die beiden sich irgendwann mögen könnten.

BK: „Asche und Phönix“ gibt es auch als Hörbuch – hattest Du dabei ein Mitspracherecht?

KM: Ich habe mir gewünscht, dass das Hörbuch ungekürzt erscheint, was auch umgesetzt werden konnte. Der Sprecher, Sascha Rotermund, wurde mir vom Verlag vorgeschlagen, ich fand ihn sehr gut und war einverstanden.

BK: In einem Videointerview sagtest Du, dass Du Dir für jedes Buch eine neue Herausforderung suchst. Hast du Dir schon eine neue Herausforderung gesetzt?

KM: Ich habe gerade ein neues Buch abgegeben, das sehr anders ist als „Asche und Phönix“ und „Arkadien“. Allein das ist schon eine Herausforderung, mal wieder eine völlig andere Art von Geschichte zu schreiben. Noch dazu eine Geschichte über den Weltuntergang – und zwar einen, den es so in Film und Literatur noch nicht gab.

BK: Weißt Du schon, wann das Buch veröffentlicht wird?

KM: Im Frühjahr 2014 bei Carlsen.

BK: Hast Du schon Ideen für weitere Projekte?

KM: Ich arbeite gerade an einem Erwachsenenbuch, danach werde ich wieder ein All-Age-Buch schreiben. Darüber mag ich aber lieber noch nichts verraten, dazu ist es noch viel zu früh.

BK: Stell Dir vor, Du bist ein Buch. Welches Buch wärst Du?

KM: Ich bin über eins neunzig, wahrscheinlich wäre ich also ein ziemlich großes Buch, aber hoffentlich kein allzu dickes. Da ich der Meinung bin, dass man jedes Buch kürzen kann, würde ich irgendwann anfangen, mich selbst zusammen zu kürzen. Die meisten Bücher sind zu umfangreich. Bevor ich meine eigenen Bücher abgebe, kürze ich selbst noch einmal sehr viel heraus. Das würde mir mit mir als Buch vermutlich genauso ergehen. Am Ende wäre ich dann doch wieder ein kleines.

Vielen Dank für das Interview!

Eine Hörbuch-Rezension zu „Asche und Phönix“ findet ihr in der 7. Ausgabe des BÜCHERSTADT KURIERs.

www.kaimeyer.com

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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