Das bücherstädtische #Meinungstheater meldet sich nach der Winterpause mit „Enola Holmes“ zurück. Bücherstädterin Michelle-Denise, Worteweberin Annika, Satzhüterin Pia, Zeichensetzerin Alexa und Fabelforscher Christian haben sich den Film angesehen und jeweils ihre eigene Meinung gebildet.
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Am 16. Geburtstag von Enola Holmes verschwindet ihre Mutter (fast) spurlos. Das ruft Enolas ältere Brüder Mycroft und Sherlock auf den Plan, die sich vorher jahrelang nicht im Landhaus der Familie hatten blicken lassen. Jetzt wollen sie Enola in ein Mädcheninternat stecken und die clevere 16-Jährige büxt aus. Auf dem Weg nach London wird sie auf einen verschwundenen Lord aufmerksam. Jetzt ist sie nicht nur auf der Flucht vor ihren Brüdern und auf der Suche nach ihrer Mutter, die ihr zum Glück verschlüsselte Botschaften hinterlassen hat, sondern auch als Detektivin unterwegs…[/ads_color_box]
In dieser Jugendbuchverfilmung versucht sich die kleine Schwester von Sherlock Holmes, im England des vergangenen Jahrhunderts, als Nachwuchsermittlerin. Als besonderes Stilmittel spricht die Protagonistin Enola in ausgesuchten Szenen direkt mit den ZuschauerInnen. Während sie sehr selbstsicher und stark erscheint, wirkt Sherlock Holmes, der in diesem Film lediglich eine kleine Nebenrolle spielt, recht farblos und ist ungewöhnlich emotional dargestellt. Wer mit anderen „Sherlock Holmes“-Verfilmungen vertraut ist, wird von dieser Darstellung des Detektivs enttäuscht sein. Für mich hat es sich leider zu gewollt angefühlt, dass Enola ihren großen Bruder stets übertrumpft und möglichst emanzipiert sein möchte. Mich hat der Film nicht überzeugt. Vermutlich liegt es daran, dass ich durch Arthur Conan Doyles „Sherlock Holmes“-Geschichten zu hohe Erwartungen hatte. (bmd)
Nachdem ich im Sommer den ersten Band um Enola Holmes gelesen hatte, war ich sehr gespannt auf die Netflix-Verfilmung. Die Erwartungen waren groß: ein intelligentes, spannendes, lustiges Buch als Vorlage und für mich der erste Film nach einer mehrere Monate langen Babypause. Da hing die Latte etwas zu hoch: „Enola Holmes“ ist gute Unterhaltung, doch in der Verfilmung fehlte mir das gewisse Etwas des Romans. Statt clevere Bemerkungen über die Rechte von Frauen zu machen, übt sich Enola hier in Martial Arts und bekommt eine kleine Liebesgeschichte angedichtet. So schafft Netflix mehr Schauwerte, die meiner Meinung nach aber gar nicht nötig gewesen wären. Auch das Film-Ende wurde wohl aus Gründen der Gefälligkeit umgeschrieben, schade! Gefallen haben mir hingegen die Passagen, in denen Enola direkt in die Kamera spricht und die Besetzung, wobei Helena Bonham Carter als Enolas Mutter leider wenig Möglichkeit zum Glänzen bekommt. Also werde ich jetzt erst einmal weiterlesen! (wa)
Mit hohen Erwartungen sind vermutlich viele Zuschauerinnen und Zuschauer an den Netflix-Film „Enola Holmes“ herangetreten – so auch ich, als ich den Film vor einer kleinen Weile anschaute. Ohne die Romanvorlage zu kennen und als große Freundin der modernen BBC-Adaption von „Sherlock Holmes“ mit Benedict Cumberbatch (die man ja durchaus losgelöst von den ursprünglichen Doyle-Romanen sehen kann), konnte ich der Geschichte um Enola unvoreingenommen begegnen. Und ich war ziemlich begeistert von dieser spritzigen Erzählung um eine junge Frau, die emanzipiert, wissbegierig und klug auf eine Welt trifft, die dringend eine Veränderung braucht. Lediglich die für meinen Geschmack zu kurz geratenen Auftritte von Helena Bonham Carter fand ich schade … und die „Liebesgeschichte“ hätte es auch nicht gebraucht. Dass Sherlock in seiner Nebenrolle überraschend emotional und mitfühlend gezeigt wurde, fand ich tatsächlich erfrischend, wenn auch untypisch. Seinen kaum verhohlenen Stolz gegenüber seiner klugen Schwester fand ich schön. Etwas Neues in einen alten Stoff wie den der „Sherlock Holmes“-Geschichten zu dichten, wird nicht eben leichter, je öfter dieser adaptiert wird. Mit „Enola Holmes“ hat der Stoff jedenfalls ein wirklich frisches Gewand erhalten. (sp)
Enola überzeugt als taffe und kluge Frau, die ihren eigenen Weg gehen will. Anfangs noch im Schatten ihres Bruders Sherlock und ihrer rebellischen Mutter stehend, entwickelt sie sich zu einer herausragenden Detektivin, die es schafft, ein Stück weit die Welt zu verändern. Besonders interessant fand ich die Szenen, in denen Enola von ihrer Mutter auf das Leben vorbereitet wird, indem diese ihr beispielsweise das Kämpfen beibringt. Die großartige Besetzung und die filmischen Stilmittel (immer wieder wird die vierte Wand durchbrochen), können jedoch kaum über die Schwächen hinwegtäuschen. Muss es denn wirklich eine Liebesgeschichte geben? Kommt ein Film, in dem eine Frau um ihre Rechte kämpft, nicht auch ohne Liebe aus? Warum muss Enola erst von Männern wieder auf den richtigen Weg geführt beziehungsweise befreit werden? Leider verliert sich der Film in sehr vielen Klischees und kitschiger Musik, die manche Szenen unnötig dramatisiert. Darüber hinaus nehmen Nebenhandlungen einen zu großen Stellenwert ein, sodass das eigentliche Thema stark in den Hintergrund rückt. Nichtsdestotrotz habe ich „Enola Holmes“ sehr gerne geschaut, weil mich der Film gut unterhalten hat, weil die Besetzung und schauspielerische Leistung hervorragend waren und weil ich die Idee mit der Kommunikation über geheime Botschaften und deren Entschlüsselung spannend fand. Von daher: sehenswert! Oder auch – um es als Rätsel zu formulieren: trewsnehes! (za)
Leider ist Netflix alles andere als subtil, wenn es darum geht, eine Botschaft zu vermitteln. Auch ohne Martial Arts Einlagen und bombenlegende Feministinnen wäre ich durchaus in der Lage gewesen zu verstehen, dass es um Emanzipation und Frauenrechte geht. Dem zuwider läuft außerdem die sehr aufgesetzt wirkende, heutzutage offensichtlich obligatorische Liebesgeschichte, die die Protagonistin ein Stück weit ihrer Glaubwürdigkeit beraubt. Sehr gelungen fand ich hingegen die Darstellung von Sherlock Holmes, der im Film viel emotionaler und weniger genial als in Arthur Conan Doyles Buchvorlagen erscheint. Dadurch stiehlt er Enola nicht die Schau – jedenfalls intellektuell. Optisch ist Sherlock Holmes Darsteller Henry Cavill ein absoluter Leckerbissen. Insgesamt hat mir der Film Spaß gemacht und ich würde mir auch eine Fortsetzung gerne ansehen. Vielleicht schafft es Netflix bis dahin auch, seine Botschaften ein wenig subtiler an den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen. (fc)
Enola Holmes. Regie: Harry Bradbeer. Drehbuch: Jack Thorne. Mit Millie Bobby Brown, Henry Cavill, Helena Bonham Carter u.a. Netflix. Vereinigte Staaten. 2020. FSK: ab 12 Jahren.
Bild: ROBERT VIGLASKI / LEGENDARY ©2020
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