Nehmt das Leben nicht so ernst

von | 07.08.2022 | Buchpranger

Mit Wondrak hat Janosch einen Helden erschaffen, der auf alles eine Antwort weiß. In „Herr Wondrak, wie kommt man durchs Leben?“ hat Seitentänzerin Michelle-Denise eine Antwort auf die titelgebende Frage gesucht – und gefunden.

Für eine wöchentliche Cartoon-Kolumne, die das aktuelle Zeitgeschehen bebildert kommentieren sollte, suchte das ZEITmagazin 2013 eine Autorin oder einen Autor. Es stellte sich schnell heraus, dass kein geringer als der international bekannte Zeichner, Autor, Illustrator und Lebenskünstler Janosch als Wunschkandidat galt.

Janosch wuchs in Polen auf und führte in jungen Jahren ein Leben, das von Entbehrungen, Alkohol und Gewalt dominiert war. Selbst den kleinsten Leserinnen und Lesern gaukelte er nie etwas vor, denn das Leben ist nicht nur ununterbrochen schön und bunt. Tod und Verlust sind Bestandteile des Lebens und finden auch in seinen Zeichnungen statt. Die Fähigkeit, Momente und kleine Augenblicke sowie Liebe und Freundschaft wertzuschätzen, helfen den Menschen. Es werden die wundersamsten Dinge von einfachen Leuten vollbracht; Helden des Alltags, so wie du und ich. Wer konnte also passender sein für die neue Kolumne als Janosch?

Dieser reagierte auf die Anfrage des Magazins jedoch recht zurückhaltend. So hatte er sich doch bereits seit über 10 Jahren aus der Öffentlichkeit weitestgehend zurückgezogen und zog es vor, seinen Lebensabend entspannt in der Hängematte zu verbringen. Künstlerisch wurde er nur noch gelegentlich aktiv. Jedoch konnte Janosch dennoch überzeugt werden und erschuf eigens für die neue Tätigkeit einen neuen Charakter: Wondrak.

‚Herr Janosch, wozu brauchen wir denn einen Wondrak?‘

‚Damit er uns von oben Trost spendet. Uns die Kraft gibt. Sonst kommen wir nicht durch. Oder so.‘ (KW 46, November 2014)

Wondrak ist ein dicklicher Mann mit fast vollständiger Glatze. Vereinzelt lassen sich noch kurze Haare mitten auf dem Kopf und ein dünner Haarkranz erkennen. Er trägt selbstbewusst einen fülligen Schnauzer und hüllt seinen Körper zumeist in einen gelb-schwarz-getigerten Ganzkörperanzug mit farblich passenden Latschen. Wer nun vermuten mag, dass es sich bei Wondrak um Janoschs Alter Ego handeln würde, dem sei gesagt, dass Janosch dieses verneint. Obwohl der Mann dem Künstler so ähnlich sieht wie kein anderer von ihm erschaffener Charakter, ist Janosch, laut eigener Aussage, doch deutlich schlanker als Wondrak und habe zudem mehr Haare. Sicherlich würde man nicht auf den ersten Blick den Begriff eines Helden mit Wondrak assoziieren, aber er ist einer. Und was für einer. Er ist ein Held, dem alles gelingt, obgleich er so gut wie nie etwas richtig macht. Ein richtiger Alltagsheld.

‚Herr Janosch, schwere Entscheidungen, wie trifft man die?‘

‚Man schreibt die Alternativen tabellarisch auf einen Zettel. Anschließend legt man den Zettel nieder und wirft einen Löffel auf den Zettel. Dann geht man weg und lässt den Löffel das regeln. Sein Problem.‘ (KW 34, August 2015)

Die Leserinnen und Leser sowie die Redaktionsmitglieder des ZEITmagazins hatten die Möglichkeit, Wondrak ihre Fragen zum Umgang mit dem aktuellen Zeitgeschehen oder alltägliche Lebensfragen zu stellen. Wondrak ist ein Mann weniger Worte. Innerhalb der Handlungen sieht man ihn nur selten selbst sprechen. Sogar sein Mund fehlt des Öfteren vollends in den Zeichnungen. Er lässt Taten sprechen und Janosch erläutert das situationsbedingte Verhalten des Lebenskünstlers. Deshalb sind die Zeichnungen immer nach dem gleichen Prinzip beschriftet: Eine Fragestellung, die mit „Herr Janosch“ beginnt und eine kurze, knappe Antwort von Janosch, die meist direkt auf Wondrak verweist: „Machen Sie es wie Wondrak, …“.

Dabei ist keine Frage zu heikel. Ob „Wie versteckt man Geld in Panama?“, „Jetzt wo Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde, was fangen wir mit ihm an?“ oder „Wie gewinnt man eine alte Liebe zurück?“, Wondrak kennt auf jede Frage eine passende Antwort.

Weil Janosch in jungen Jahren nicht die Möglichkeit hatte, ein unbeschwertes Leben führen zu dürfen, lebt er als Erwachsener das innere Kind aus. Ähnlich verhält es sich mit Wondrak: äußerlich ein erwachsener Mann, innerlich ein kleiner Junge. Er nimmt das Leben nicht so ernst und findet stets einen leichten und positiven Umgang mit Problemen.

Des Öfteren betont Wondrak, wie wichtig ihm seine wunderschöne Partnerin Luise ist, die ihm Halt gibt. Und der er Halt gibt. Man wechselt sich eben immer ab. Ebenso verhält es sich bei Janosch und seiner Frau Ines Eckert. Im Februar lässt er diese für ihn eine Frage beantworten („Frau Eckert, was ist dieser Wondrak eigentlich für ein Typ?“).

‚Herr Janosch, was wäre eigentlich gewesen, hätten Tiger und Bär Smartphones gehabt?‘

‚Sie hätten Panama einfach gegoogelt und wären im Übrigen am Tisch sitzen geblieben.‘ (KW 29, Juli 2015)

Anlässlich seines 85. Geburtstags am 11. März 2016 beschenkte Janosch sich selbst und reiste nach Panama. Vom Staatspräsidenten des Landes wurde er mit einem Orden für seine besonderen Verdienste durch das Buch „Oh, wie schön ist Panama“ ausgezeichnet. Janosch reiste jedoch nicht allein. Auch seinen Helden Wondrak schickte er auf diese Reise und ließ ihn, im Gegensatz zur Geschichte von Tiger und Bär, auch dort ankommen.

Mehrere Episoden befassten sich zum 85. Geburtstag mit Wondraks Erlebnissen in Panama. Zurück in der Heimat trifft dieser sich mit dem Tiger und dem Bären und erklärt ihnen, dass Panama wirklich das Land ihrer Träume sei, aber es so klein wäre, dass es sich nicht lohne, sich vom deutlich größeren Sofa daheim wegzubewegen. Irgendwie ein schöner runder Abschluss, den Janosch hier zur Geschichte rund um den Tiger und den Bären hinzugefügt hat.

‚Herr Janosch, wie sagt man TSCHÜSS?‘

‚Man dreht sich um mit einer Träne im Auge und sagt: ‚Ich geh dann mal.‘ (KW 47, November 2019)

Mehr als 6 Jahre lang, von 2012 bis 2019, und in über 350 Zeichnungen über Wondrak, lässt Janosch die Leserinnen und Leser seine Werke im gewohnt minimalistischen Stil in Aquarellfarben bestaunen. Versehen mit den humorvollen und ironischen Frage-Antwortkonstellationen regen die Bilder dazu an, nicht immer einen allzu verbissenen Blick auf die weltlichen und persönlichen Probleme zu werfen.

Zu schade, dass die gemeinsame Kolumne von Janosch und Wondrak ein Ende gefunden hat, aber dieser Sammelband vereint alle Publikationen in großem Format in einem Buch. So kann man diese chronologisch erneut betrachten und das ein oder andere Mal über die lustigen Handlungen Wondraks lachen. Zudem erhält man im Vor- und Nachwort, dem Werkstattblick, interessante Informationen zum Entstehungs- und Arbeitsprozess der Kolumne. So war Janosch stets bemüht, perfekte Zeichnungen zu erschaffen, sodass er des Öfteren mehrere Skizzen und druckreife Originale von seinem Zuhause in Teneriffa nach Berlin zum ZEITmagazin schickte. Einige von diesen aussortieren, unveröffentlichten Bildern lassen sich in diesem Buch bestaunen.

„Herr Wondrak, wie kommt man durchs Leben?“ ist ein hochwertiger Sammelband, der durch Janoschs unnachahmliche Zeichnungen und frechen Sprüche besticht. Ein Buch zum Verschenken. Ein Buch zum Selbstlesen. Ein Buch, das man immer mal wieder aus dem Bücherregal nimmt, erneut betrachtet und das einen schmunzeln lässt.

Herr Wondrak, wie kommt man durchs Leben? Alle Fragen. Alle Antworten. Alle Zeichnungen. Janosch. Prestel. 2021.

Michelle-Denise Oerding

Michelle-Denise Oerding

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