Pierre Brice – Ein Nachruf

von | 10.06.2015 | Filmtheater

Mit der Rolle des Karl May-Indianerhäuptlings Winnetou hat Pierre Brice einen Helden für ganze Generationen erschaffen. Nun wandelt er in den Ewigen Jagdgründen. Bücherbändigerin Elisabeth trauert mit und rollt das Leben des französischen Apachen-Häuptlings in ein paar Worten noch einmal auf.

„Winnetou hat für Friede, Freiheit, Respekt und Menschenrechte gekämpft – wie ich auch.“

Was er geschafft hat, hätte er sich selbst niemals erträumen lassen. Ein Schauspieler, der im eigenen Land weitgehend unbekannt ist, für Produktionen nach Italien und Spanien geht, wird mit einem Mal entdeckt. Und somit ein Held und ein Star für Jahrzehnte.
Pierre Brice, geboren am 6.2.1929 in Brest, wächst zwischen den beiden großen Kriegen auf, verpflichtet sich später für den Dienst in Armenien und Indochina. Erst einige Tapferkeitsmedaillen und vieler Erfahrungen schwerer, erwacht sein Wunsch, in die Schauspielerei zu gehen. Anfänglich mit mäßigem Erfolg. Bis die ersten Angebote für Film und Theater kommen, allerdings hauptsächlich aus Italien und Spanien, wo er großen Bekanntheitsgrad erhält.

Das Leben als Winnetou

Ein spanischer Film sollte es dann auch sein, der seine Schicksalsfäden neu knüpft. „Los Atracadoras“ wurde auf der Berlinale 1962 vorgestellt. Mit dabei: Pierre Brice. Mit dabei auch Produzent Horst Wendlandt. Der Berliner hatte bis dahin Krimis gedreht, Edgar Wallace und Ähnliches, bis sein Sohn ihm Karl May ans Herz gelegt hatte. Das Drehbuch für „Der Schatz im Silbersee“ lag vor, Lex Barker hatte seine Zusage als Old Shatterhand schon unterschrieben, nur der zweite Hauptdarsteller fehlte. Und diesen fand Wendlandt richtiggehend auf den ersten Blick. Leider versäumte er es, Brice anzusprechen.

Erneut war es der Zufall, der die Dinge richtete: Über Umwege kam Wendlandt einige Wochen später an die Managerin seines Wunsch-Winnetous und unterbreitete das Angebot. Als Pierre Brice davon erfuhr, war er aber skeptisch. Einen Indianer zu spielen, auch noch auf Grundlage eines ihm unbekannten Autors. Doch nachdem er sich einen Karl May-Roman gekauft und gelesen hatte, war er vollkommen überzeugt, sagte zu. Zwei Wochen darauf begannen die Dreharbeiten zu „der Schatz im Silbersee“ in Jugoslawien.
Zwischen 1962 und 1968 wurden 11 Winnetou-Filme abgedreht und in die Kinos gebracht. Allesamt ein riesiger Erfolg. Eigentlich sollten es weniger werden, doch die Protestwelle, als bekannt wurde, dass Winnetou nach Buchvorlage im dritten Teil des Filmes sterben sollte, war so groß, dass sich die Fans erst beruhigten, als Wendlandt Zugeständnisse machte, weitere Filme zu drehen. Pierre Brice war ein Star für Jung und Alt. Er erhielt Auszeichnungen, wurde auf dem Titelbild der BRAVO so oft abgebildet wie kein anderer. Mehrere Bambis, die Goldene Kamera, sogar eine Abordnung von Winnebago-Indianern aus Nebraska kam nach Deutschland, um Brice für den Einsatz der Rechte „des roten Volkes“ zu ehren.

Das Ende einer Ära?

Die Ära Winnetou scheint zu Ende, als keine weiteren Filme mehr in Planung gehen. Wie viele andere wird Pierre Brice mit einer einzigen Rolle berühmt und findet mit anderen Werken kaum Anschluss. Doch Winnetou hat ihn geprägt. Er verschmolz mit seiner Rolle, machte sich Winnetous Leitsätze zu eigen. Für Gerechtigkeit kämpfen, für Toleranz und Menschenrechte. Brice war UNICEF – Botschafter, machte sich stark für verschiedene Projekte und half auch selbst tatkräftig mit. Doch auch die Rolle „Winnetou“ ließ ihn nicht mehr los. Er drehte die Serie „Mein Freund Winnetou“, in der er vollständig ohne die romantisierte Vorlage von Karl May arbeitete und sich eng an indianischer Kultur hielt. „Winnetous Rückkehr“, ein Zweiteiler, in welchem Winnetou den tödlichen Gewehrschuss aus „Winnetou III“ überlebt und noch einmal Abenteuer erlebt, bringt ihn wieder ins Fernsehen. Reifer, erwachsener und ohne synchronisierte Stimme – mit französischem Akzent.

Für Winnetou stieg er im deutschen Bad Segeberg und in Elspe wieder auf das Pferd und nahm an den „Karl-May-Festspielen“ in seiner eigenen Rolle – als sein Alter Ego – teil, schrieb manche Stücke selbst. Später führte er Regie. Er veröffentlichte die Autobiografie „Winnetou und ich“, er sang, weil seine Fans die Singstimme des Winnetou hören wollten. Er war stets aktiv, wenn auch nicht immer im Rampenlicht. Im Alter von 85 Jahren meinte er noch: „Der Rücken tut zwar weh, die Knie auch. Doch Winnetous Herz schlägt noch wie bei einem jungen Krieger.“
Am 6. Juni 2015 starb Pierre Brice dann im Alter von 86 Jahren in einem Krankenhaus nahe Paris.

Pierre Brice setzte sich ein, für das, wofür er stand. Wofür auch Winnetou stand und kämpfte. Die Menschen brauchten und brauchen diese Helden, denn nichts hat es bisher geschafft, die Magie dieser Rolle, die Magie dieses Mannes zu schmälern. Für viele Generationen wird Winnetou unsterblich bleiben. Winnetou und Pierre Brice, die untrennbar zu einem einzigen Bild geworden sind. Ein Bild, das Frieden, Gerechtigkeit und Ehre vermittelt. Und vielleicht reiten sie nun wieder gemeinsam, Seite an Seite durch die Jagdgründe, Winnetou und sein Blutsbruder Old Shatterhand.

Quellen:
www.pierrebrice.de
www.handelsblatt.com

Illustration: Aaron

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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