Regenbogen im Comicformat

von | 23.08.2018 | #Kunterbunt, Buchpranger, Graphic Novels, Comics, Manga, Specials

Es gibt einige LGBTIQ-Helden (Lesbian, Gay, Bisexual, Transsex, Intersex, Queer) im DC- und Marvel-Universum. Geschichtenzeichnerin Celina geht auf geschichtliche Aspekte ein und stellt euch einige Figuren vor.

Bis 1989 war es bei den amerikanischen Comicverlagen aufgrund des Comic-Codes – einer Quasi-Selbstzensur – ein Tabu, LGBTIQ-Charaktere in ihren Geschichten zu präsentieren. Dies geht auf den amerikanischen Psychiater Fredric Wertham zurück, welcher in den 1950er Jahren der Ansicht war, dass Comics für Kinder zu brutal und pervers seien. Er sah beispielsweise in Batman und Robin eine homoerotische Beziehung.

Werthams Analysen wurden dem US-Senat vorgetragen und die Comics, weil man ihm Glauben schenkte, als eine Gefährdung für die jungen Leser angesehen. Daraufhin kam es zur Selbstzensur der Verlage und somit waren vorerst auch LGBTIQ-Charaktere kein Bestandteil mehr in diesen. Erst nach der Abschaffung des Comic-Codes ab Ende des 20. Jahrhunderts, konnte die Freiheit wiedererlangt werden, verschiedenste Geschlechter und sexuelle Orientierungen darzustellen. Welche Helden dies nun bei DC und Marvel unter anderem sind, wird im Folgenden gegenübergestellt.

Batwoman vs. Miss America

Als Beispiel lesbischer Charaktere sind hier Kate Kane alias Batwoman (DC) und America Chavez alias Miss America (Marvel) zu nennen. Batwoman wurde – zusammen mit Batgirl – in den 1950er Jahren erschaffen, um den ursprünglich Gedanken daran zu unterbinden, dass Bruce Wayne alias Batman und Dick Grayson alias Robin homosexuell seien. Ihr Debüt hatte Batwoman in „Detective Comics 233“ (1956), wo sie allerdings noch keinen großen Anklang bei den Lesern fand, sodass sie von der Bildfläche verschwand und erst im Jahre 2006 eine neue Batwoman eingeführt wurde. Erschaffen wurde diese von Geoff Johns, Grant Morrison, Greg Rucka, Mark Waid und Ken Lashley. Nun wird sie, ironischerweise, als erste offen lesbische Superheldin des DC-Universums dargestellt. Wie ihr Name schon verrät, handelt es sich um eine Frau, die mit Fledermausmaske, viel Geld und entsprechend kostspieliger Ausstattung ihre Antagonisten bekämpft.

In ihrer sechsteiligen Soloserie „Batwoman“ (Panini, 2012 – 2015) wird auch ihre feste Beziehung zur Polizistin Maggie Sawyer in Szene gesetzt. Diese wird immer wieder thematisiert sowie nach und nach weitergeführt. Es wirkt nicht aufgesetzt, sondern einfach als ein wichtiger Teil von Kate Kanes Leben. Auch zeichnerisch werden „Bettszenen“ im ansehnlichen Stil mit dennoch einfachen Mitteln dargestellt. Wie in fast jedem Jugendcomic sieht man nur Andeutungen und der Rest bleibt der Fantasie der Lesenden überlassen.

Bei Miss America verhält sich das wiederum anders. Eigentlich gehört Miss America, mit ihrer Entstehung 1943, zu Marvels ältesten Heldinnen und sollte sozusagen ein Gegenstück zu Wonder Woman (DC) sein. Hinter der Maske steckte lange die blonde Madeleine Frank, aber seit 2011 tritt America Chavez unter dieser Identität auf.

In „America“ (Marvel, 2017, auf Deutsch noch nicht erschienen) wird America Chavez als arrogante Superheldin mit lateinamerikanischen Wurzeln dargestellt. Ihre Superkräfte sind übermenschliche Stärke, sie kann fliegen und durch die Dimensionen reisen.

Sie führt zwar offen lesbische Beziehungen, jedoch werden diese recht platt dargestellt, da es keine wirkliche Einführung von Frauen gibt, mit denen sie intimer wird. Generell wirkt es recht oberflächlich, wie ihre sexuelle Orientierung in Szene gesetzt wird. So werden viele Symbole, wie etwa eine Regenbogen-Fahne – ein Sinnbild der LGBTIQ-Szene – verwendet, um auf ihre sexuellen Interessen hinzuweisen. Diese weht zum Beispiel im Hintergrund, während Miss America mit einer Frau spricht, mit der sie kurz darauf im Bett landet. Auch ihre Alltagsschwierigkeiten wirken recht aus dem Zusammenhang gerissen, etwa verfällt sie mitten in einem Kampf in Trauer, aufgrund ihres schweren Schicksals als Tochter lesbischer Eltern.

Midnighter vs. Iceman

Ebenfalls sind schwule Charaktere bei Marvel und DC vertreten, wie hier beispielhaft Midnighter (DC) und Iceman (Marvel). Midnighter hatte sein Debüt in „Stormwatch (Vol.2) 4“ (1998). Er ist ein düsterer Charakter – ähnlich wie Batman – der arrogant ist und gerne Gewalt ausübt. Er ist ein mächtiger Antiheld, der dank seines Kampfcomputers im Gehirn alle möglichen Züge der Antagonisten im Voraus berechnen kann. Daher sind seine Gegner kaum bis gar keine Bedrohung für ihn. Er hatte bereits eine feste Beziehung mit einem männlichen Superhelden namens Apollon, die so weit reichte, dass die beiden heirateten.

Im „Midnighter Megaband 1 – Gnadenlos“ (Panini, 2016), einer Soloserie zum Midnighter, mischt sich Action und Gewalt mit Romanzen sowie fantastischen und Science-Fiction-Elementen. Die Geschichte spielt nach dem Ende der Beziehung zu Apollon, sodass wieder neue Romanzen für den mächtig zuschlagenden Antihelden möglich werden. Dabei werden die „Sexszenen“ typisch für Jugendcomics angedeutet und man kann sich den Rest denken. Zum Beispiel wird gezeigt, wie zwei Personen verliebt und einander küssend ins Bett steigen und im Panel später sind Stunden vergangen und sie liegen mit nacktem Oberkörper da. Generell werden Midnighters Beziehungen nachvollziehbar dargeboten, obwohl im Comic an sich die Geschichte fokussiert wird. Zum Megaband lässt sich noch kritisch anmerken, dass es teils schwer fällt zu folgen, da räumlich und zeitlich sehr viel hin und her gesprungen wird.

Ein männlicher, homosexueller X-Men-Charakter ist Bobby Drake alias Iceman, welcher ein Omega-Level Mutant und jüngstes Gründungsmitglied der ersten X-Men ist. Sein Coming-out wird unter anderem im Comic „Uncanny X-Men 7“ (Panini, 2016) gezeigt. Darin kommt der jüngere Iceman per Zeitreise aus der Vergangenheit in die Gegenwart und wird geoutet, indem Jean Gray seine Gedanken liest. Daraufhin geht der jüngere zum älteren Iceman und outet somit auch sein älteres Ich. Jedoch sorgt dieses inhaltliche Konzept bei den Lesenden, die auch die früheren Hefte kennen, für etwas Verwirrung. Früher war er ein Womanizer und wurde nie offiziell als schwul dargestellt. Dieser Aspekt wurde erst im Nachhinein ergänzt. Das ist per se nichts Schlechtes, wirkt aber in dieser Form merkwürdig, plump und aufgesetzt; zumal die Art des Coming-outs des jungen Iceman durch Jean Grey für seine unkreative Art auch vonseiten der LGBTIQ-Szene kritisiert wurde.

Wenn man den Fall von Iceman mit Batwoman vergleicht, war die Situation dort nachvollziehbarer gelöst: Im Nachhinein hat man nichts am bestehenden Charakter verändert, sondern sie wurde komplett überarbeitet und in einer völlig neuen Heftreihe präsentiert. Bei Iceman muss nun rückwirkend einiges erklärt werden, was zum Beispiel in „Iceman 11“ (Marvel, 2017/18, nur auf Englisch verfügbar) geschieht, wo das Privatleben des gegenwärtigen Iceman, nach dessen Coming-out, beleuchtet wird.

Allerdings sollte dazu auch angemerkt sein, dass es in einigen Bänden wie etwa „Die neuen X-Men 1“ eigentlich keine wirkliche Rolle spielt, welche sexuelle Orientierung die Charaktere haben, da das nie zur Sprache kommt. Es wird eine bestimmte Problematik fokussiert, aber über die Figuren erfährt man generell recht wenig.

Harley Quinn vs. Mystique

Bisexuell orientierte Charaktere sind zum Beispiel Harleen Frances Quinzel alias Harley Quinn (DC) und Mystique (Marvel). Bei Harley Quinn wurde, blickt man auf ihre Anfänge zurück, eher davon ausgegangen, dass sie heterosexuell sei. Sie verliebte sich in den Bösewicht Joker und wurde von ihm benutzt. Als seine Freundin war sie stark seiner Stimmung ausgeliefert und musste einiges an Schlägen sowie psychischen Torturen durchstehen. Doch ab dem Moment, als sie begann, sich von Joker zu lösen, schloss sie eine immer engere Freundschaft zu Poison Ivy. Diese Freundschaft vertiefte sich, wie in der dreiteiligen Comicreihe „Gotham City Sirens“ (Panini, 2010-16) zu sehen ist. Dies wird in der darauf folgenden Harley Quinn-Stand-Alone-Reihe (Neues DC-Universum, Panini, 2014-16) aufgegriffen. Allerdings finden sich nun immer wieder anzügliche Bemerkungen und Momente zwischen den beiden Frauen, in denen es schon wirkt als wäre da mehr als eine Freundschaft. Fest steht, dass Harley Augen für Frauen sowie für Männer hat.

Mystique, die mitunter berühmteste Famme Fatale bei den X-Men, ist einer der ersten bisexuellen Charaktere in der Geschichte der Comics. Die blauhäutige Gestaltwandlerin führte mit der Mutantin Irene Adler alias Destiny eine lange Beziehung. Diese dauerte Jahrzehnte an und endete erst, als Destiny getötet wurde. Beide haben sogar ein Kind, den Teleporter Nightcrawler, welches gezeugt wurde, indem Mystique vorübergehend die Gestalt eines Mannes annahm. Hierbei zeigt sich wie umfangreich die Beziehung war, da sogar beim Großziehen eines Kindes eine Rolle spielt. Zusätzlich hatte Mystique im Laufe der Zeit auch einige männlichen Romanzen.

Trans- und Intersex?

Nach längerem recherchieren fällt leider auf, dass kaum trans- und intersexuell orientierte Superhelden zu finden sind. Bei Vertigo (einem Imprint von DC, das Erwachsenencomics fokussiert) ist Hilde Morales alias Lord Fanny als transsexuelle Figur vertreten. Sie gehört den „Invisibles“ an und ist eine starke Hexe, wie zum Beispiel im Comic „Invisibles 1: Revolution gefällig?“ (2008) zu sehen ist. Sie wurde mit dem biologisch männlichen Geschlecht geboren, lebt aber als Frau und als solche ist sie im Comic auch zu erkennen.

Als intersexueller Charakter sind „Shining Knight“ (DC) und „Cloud“ (Marvel) zu nennen, zu denen aber keine Comics auf Deutsch zu finden sind. Es handelt sich um ältere Charaktere, die nicht so bekannt sind; es ist schwierig, an die englischen Comics heranzukommen.

Genug Queer-Charaktere?

Im Schnitt scheinen LGBTIQ-Comiccharaktere in den DC-Comics authentischer und nachvollziehbarer in ihrem jeweiligen Kontext dargestellt zu sein als beim Konkurrenten Marvel – eine große Ausnahme ist hier jedoch Mystique (Marvel). Trotzdem wäre es schön, wenn weitere trans- und intersexuelle Protagonisten in den Verlagen Präsenz finden würden.

Allgemein ist zu sagen, dass es noch einige LGBTIG-Superhelden bei Marvel und DC gibt, weitaus mehr als in diesem Artikel angeführt sind. Alle vorzustellen würde den Rahmen sprengen, deshalb habe ich mich für einige Beispiele entschieden. Kennt ihr noch weitere Charaktere? Dann erwähnt sie gerne in den Kommentaren.

 

Ein Beitrag zum Special #Kunterbunt. Hier findet ihr alle Beiträge.
Illustrationen: Geschichtenzeichnerin Celina
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