Liebe empfinden Menschen jeden Alters. Und welche Jahreszeit könnte sich für das herzzerreißendste aller Gefühle besser eignen als der Sommer? Unterschiede gibt es dennoch zwischen den zarten Knospen der ersten Liebe und der einträchtigen Vertrautheit der letzten. In „Die vier Jahreszeiten des Sommers“ erzählt Grégoire Delacourt von vier ganz verschiedenen Paaren, deren Wege sich in einem französischen Badeort kreuzen. – Von Worteweberin Annika
Vier Paare verbringen die Nacht vom 13. auf den 14. Juni 1999 im nordfranzösischen Le Touquet. Louis ist 15 und sein Herz schlägt für die zwei Jahre jüngere Victoria. Dumm nur, dass die viel lieber am Strand spielen möchte, als sich in Louis zu verlieben. Der muss daraus lernen, dass Liebeskummer auch nur eine Spielart der Liebe ist. Liebeskummer ist auch der 35jährigen Hausfrau nicht fremd, die gemeinsam mit ihrem Sohn Hector an die Küste kommt. Noch nie hat sie viel Glück mit den Männern gehabt, doch das soll sich jetzt ändern. Nachdem sie am Strand einen Mann vor dem Ertrinken gerettet hat, findet sie in dessen Arzt ihre Jugendliebe Romain wieder und hofft darauf, dass es mit ihnen beiden im zweiten Anlauf besser klappen wird.
Während sie im Auto nach Le Touquet sitzt, wird aus der unglücklichen Hausfrau Monique die lebenslustige Louise, die sich nach Leidenschaft und dem Zauber der Liebe sehnt, der aus ihrer Ehe längst verflogen ist. An der Küste begegnet sie Robert und lernt mit ihm die Zweisamkeit neu kennen. Rose und Pierre hingegen sind Experten in Sachen Zweisamkeit. Sie sind nach Le Touquet gekommen, um gemeinsam zu sterben. So alt und gebrechlich fühlen sie sich, dass sie ihrem Leben hier ein Ende setzen wollen, wo sie sich im Krieg kennengelernt haben.
Auf den Boulevards oder am Strand kreuzen sich die Geschichten dieser vier Paare, in einzelnen Sätzen verweben sie sich, wenn alle die gleiche Situation beschreiben. Sprachlich ist besonders die Episode des alten Pärchens auffällig, denn für Rose und Pierre gibt es nur das „Wir“. So eng sind die beiden miteinander verbunden, dass erst durch den Tod des einen der Singular zum anderen zurückkehrt. Die Schicksale der Figuren zeigen, welche Bandbreite es im Spiel der Liebe gibt. Teilweise sind die Geschichten sehr berührend, und in ihrem Ausgang nicht selten überraschend. Die einzelnen Schicksale bleiben kurze Episoden, die Spielraum für eigene Interpretationen bieten und sich gut an einem einzelnen Strandtag lesen lassen.
Sehr französisch mutet Delacourts Episodenroman an, in dem immer wieder auf Chansontexte Bezug genommen wird. Außerdem spielt die Sprache der Blumen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, mit Rosen und Tulpen Nachrichten (natürlich der Liebe) zu überbringen. Genau das richtige also, scheint es, für einen Urlaub an der nordfranzösischen Küste, aber auch an jedem anderen Meer. Lust auf Urlaub macht „Die vier Jahreszeiten des Sommers“ allemal.
Die vier Jahreszeiten des Sommers. Grégoire Delacourt. Atlantik. 2016.
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