Streithähne in Unterhosen

von | 08.11.2018 | Bilderbücher, Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Zwei Streithähne und zwei Hunde auf Ballonfahrt – ob das gutgehen kann? In „Ballonfahrt mit Hund“ von Matthew Olshan hat Worteweberin Annika nicht nur viel über die (fast wahre Geschichte) der ersten internationalen Luftfahrt gelernt, sondern auch oft geschmunzelt.

Es ist 1785, eineinhalb Jahre ist es her, seit zum ersten Mal ein Mensch mit einem Ballon gefahren ist. Zwar ist eine Luftfahrt weiterhin nicht ungefährlich, trotzdem purzeln immer wieder die Rekorde:

„Ein Italiener war Ballon gefahren. Ein Schotte war Ballon gefahren. Eine Frau war Ballon gefahren. Sogar ein Hammel war Ballon gefahren. Aber noch nie war jemand von einem Land in ein anderes gefahren.“

Das wollen der französische Pilot Jean-Pierre Blanchard und sein englisch-amerikanischer Finanzier John Jeffries ändern. Begleitet werden sie dabei von ihren Hunden Henry und Henri, übrigens eine englische und eine französische Bulldogge. Bei den Vorbereitungen, aber auch während der Reise, stehen den beiden ihre Rivalitäten im Wege. So möchte Blanchard seinen Kollegen, den er für nichtsnutzig hält, gerne am Boden lassen und versucht, ihn mit einer Bleiweste auszutricksen – angeblich ist der Ballon schon zu schwer. Schließlich kommt Jeffries ihm auf die Schliche und steigt doch ein.

Die Fahrt von England nach Frankreich geht gut los, doch als Blanchard eingeschlafen ist, beginnt der Ballon zu sinken. Nach einigen Schrecksekunden wird alles über Bord geworfen, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Rettung schließlich ist erreicht, als beide Männer nur in Unterhosen bekleidet über Bord pinkeln. Klar, dass dabei zunehmend auch die Unstimmigkeiten vergessen sind.

Eigentlich doch ganz ähnlich

Die Abneigung zwischen Jeffries und Blanchard spiegelt sich anfangs auf vielen Ebenen: Wer darf zuerst aussteigen, heißt es „Ärmelkanal“ oder „La Manche“, wer ist wichtiger für das Gelingen der Reise? Abgesehen von den nationalen Unterschieden sind die beiden sich aber eigentlich ziemlich ähnlich, was sich schon an den beiden Hunden zeigt. Dass sie dies schließlich einsehen und gemeinsam aussteigen (in Unterhosen!), macht „Ballonfahrt“ mit Hund zu einer schönen Geschichte über die Freundschaft.

Das Bilderbuch ist illustriert von der erfolgreichen Künstlerin Sophie Blackall. „Ballonfahrt mit Hund“ ist nach „The mighty Lalouche“ ihr zweites Bilderbuch gemeinsam mit Matthew Olshan, das erste wurde allerdings noch nicht ins Deutsche übersetzt. Passend zur im achtzehnten Jahrhundert angesiedelten Geschichte sind die feinen und detaillierten Zeichnungen. Sie werden ergänzt durch humorvoll kommentierende Sprechblasen, die moderner wirken. Gleiches gilt für die comicartigen Skizzen, die immer wieder größere Handlungsabläufe bebildern und auf Farben verzichten. So ergänzen die Illustrationen sehr stimmig die Geschichte um die vier Luftfahrer und erzeugen gleichzeitig Kontraste. Kein Wunder, dass die Jury des Deutschen Jugendliteraturpreises in ihrer Nominierung nicht nur die Geschichte, sondern auch die Bilder lobend hervorhebt.

Eine fast wahre Geschichte!

Auf der letzten Seite gibt der Autor Anmerkungen dazu, wie sich die Geschichte tatsächlich zugetragen hat. Vieles in diesem Bilderbuch beruht nämlich auf wahren Begebenheiten, sogar das Über-Bord-Pinkeln! Zwei Hunde waren hingegen wahrscheinlich eher nicht mit an Bord, als die erste internationale Luftfahrt sich zutrug. Olshan gelingt es, mit den historischen Ereignissen einerseits Informationen über die Geschichte der Luftfahrt und das Leben im achtzehnten Jahrhundert einzubinden, gleichzeitig aber durch ein paar künstlerische Freiheiten eine unterhaltsame Geschichte über die Freundschaft zu erzählen. Ein tolles Bilderbuch für neugierige Kinder ab fünf Jahren!

Ballonfahrt mit Hund. Die (fast) wahre Geschichte der ersten internationalen Luftfahrt im Jahr 1785. Matthew Olshan. Mit Illustrationen von Sophie Blackall. Aus dem Englischen von Leena Flegler. Gerstenberg. 2017.

 

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