In „Die Gleichzeitigkeit der Dinge“ stellt die Autorin Hush Josten das in den Mittelpunkt, was die meisten thematisch gerne meiden würden: den Tod. Eine philosophisch-eindrückliche Erzählung, eigenwillig und dennoch federleicht zu lesen. – Von Satzhüterin Pia
„Sourie freute sich auf den Tod. Davon erzählte er – mein durchaus lebensfroher junger Stammgast – Tessa an dem hellblauen Septembertag, als die beiden in meinem Restaurant auftauchten.“
Damit steigt die Autorin direkt ins Thema ein, denn in „Die Gleichzeitigkeit der Dinge“ geht es um den Tod. Johannes „Jean“ Tobelmann hat das Ziel, Schriftsteller zu werden, notgedrungen an den Nagel gehängt und führt, sich dem Schicksal beugend, das Familienrestaurant fort. Besagter Stammgast, Sourie, ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Im Verlauf des Buches erfahren Leser*innen, dass Jean die Geschichte Souries erzählt – auf recht eigenwillige Weise. Sourie ist der Freund von Jean, der Geliebte von Tessa, Philosoph und gewissermaßen geplagte Seele von ebenjener Gleichzeitigkeit der Dinge – er liebt das Leben und ist doch seltsam fasziniert und getrieben vom Gedanken an die (eigene) Sterblichkeit.
„Nun, der Tod lächelt uns an“, legt er los. „Er ist das unlösbare Rätsel, das Wissen, das es nicht gibt. Eine grandiose Zumutung, denn er ist auch die absolute Gewissheit. Niemand kommt an ihm vorbei, doch wir wissen nichts über ihn. Wir wissen vieles über das Sterben, aber nichts über den Tod.“
Trotzdem geht es im Roman nicht um das Sterben oder den Tod allein. Er erzählt eine Geschichte vom Leben und der Liebe, der Freundschaft – der Gleichzeitigkeit dieser Dinge. Die Erzählung ist etwas verschachtelt, weil es immer wieder auch Rückblicke gibt und die Autorin nicht konsequent bei einer Perspektive bleibt. Aber die Chronologie ist im Detail auch gar nicht so wichtig. Jean ist Beobachter der Ereignisse und dabei ein in Teilen allwissender Ich-Erzähler. Er berichtet von persönlichen Ansichten, Gedanken, Gefühlen, während er gleichzeitig Szenen von anderen Personen schildern kann, bei denen er nicht dabei war. Genauso oft kann er nur lückenhaft, mutmaßend von seinem Freund erzählen, kennt seine Gedanken und Beweggründe nicht wirklich oder kann sie nur erahnen.
Nach und nach erfahren Leser*innen mehr über den faszinierenden und schwer greifbaren Charakter Sourie, und auch darüber, woher das Interesse am Thema Tod rührt. Der verheerende Anschlag, der 2015 auf den Pariser Musikclub Bataclan verübt wurde, spielt in der Geschichte Souries eine zentrale Rolle – wie tiefgehend, das enthüllt erst der Roman.
„Die Gleichzeitigkeit der Dinge“ ist eigenwillig, klug erzählt und philosophisch – ein Buch über Freundschaft, Liebe und die (eigene) Vergänglichkeit, das ich gerne noch einmal lesen werde.
Die Gleichzeitigkeit der Dinge. Hush Josten. Berlin Verlag. 2024.
Zur Rezension von Hush Jostens „Eine redliche Lüge“.
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