Verfluchte Medien

von | 11.09.2018 | Filmtheater, Serien

Mit „Channel Zero: Candle Cove“ bringt Regisseur Craig William Macneill eine der berühmtesten Creepypastas – eine neue Form der Urbanen Legenden – als sechsteilige Serie ins Heimkino. Die Handlung fokussiert sich auf eine Fernsehserie, welche Kinder dazu bringt, schreckliche Dinge zu tun. Geschichtenerzähler Adrian hat sich dem Grusel gestellt.

Nachdem sein Zwillingsbruder verschwand, hat Mike Painter seinen Heimatort verlassen. Nun als Kinderpsychologe tätig kehrt Mike, gespielt von Paul Schneider, nach 28 Jahren wieder nach Iron Hill zurück, da ihn irgendetwas zu rufen scheint. Hier trifft er nicht nur seine alten Kindheitsfreunde wieder, sondern muss sich auch seiner verstörenden Vergangenheit stellen: Die mysteriöse Fernsehserie „Candle Cove“ – ein Puppentheater, das sich um die Abenteuer des Piraten Percy dreht – wird erneut ausgestrahlt. Schon vor 28 Jahren hat diese Serie für einige Todes- und Vermisstenfälle unter den Kindern der Kleinstadt gesorgt und nun geht es erneut los.

Mike macht es sich zur Aufgabe, nicht nur das Verschwinden seines Zwillingsbruders endlich aufzuklären, sondern auch die Ausstrahlung von Candle Cove zu stoppen. Jedoch gerät auch er ins Fadenkreuz der Ermittlungen, denn niemand glaubte ihm, dass eine Fernsehserie Kinder verschwinden lassen könnte.

Was ist eine Creepypasta?

Wie bereits erwähnt, basiert „Channel Zero: Candle Cove“ auf einer sogenannten Creepypasta. Dies ist ein Internetphänomen, das sich aus der Form der urbanen Legenden heraus entwickelt hat – ein bekannter Vertreter dieses Phänomens ist etwa der Slenderman. Hierbei werden Gruselgeschichten im Internet verbreitet, welche von verfluchten Videospielen, Serienkillern, Monstern, Geistern und vielen anderen fürchterlichen Gestalten handeln. Auch viele popkulturelle Einflüsse spielen in diese mit rein. Häufig werden Medien wie Fernsehen, Internet, beziehungsweise allgemein Computer in die Geschichte mit eingewebt.

So basiert die Grundgeschichte von Candle Cove beispielsweise auf einem Forenblog, in dem mehrere User über ihre Erlebnisse mit der unheimlichen Fernsehserie berichten. Meist werden Creepypastas von anderen Usern weitergesponnen und durch „eigene Erfahrungen“ ergänzt, sodass sich bald ein kleines Universum um eine Figur entspinnt – ein Beispiel hier ist auch die Geschichte um Serienkiller Jeff.

[tds_note]Wer mehr über das Thema der Creepypastas erfahren möchte, kann entweder in hunderte davon auf Youtube hineinhören – Stichwort „Creepypasta“ – oder wird unter diesem Link fündig.[/tds_note]

Sehr nah an den Wurzeln

Was Kennern von Creepypastas recht früh in der Serie auffällt, ist, dass sich die Geschichte von Candle Cove gut an das Konzept dieser Art von Horrorgeschichten hält. So sind Creepypastas meist von Personen geschrieben, der weder eine umfangreiche schriftstellerische Ausbildung, noch viel Erfahrung in der Buchbranche haben. Es sind meistens Jungautoren, welche nicht zum Geldverdienen schreiben, sondern aus Spaß am Gruseln.

Dadurch bringt „Channel Zero: Candle Cove“ die Creepypasta gut rüber, wirkt aber nicht zu überprofessionell, sodass man als Zuschauer glaubt, dass diese Geschichte von einem unerfahrenen Erwachsenen geschrieben wurde. Auch finden sich in der Serie hin und wieder Wortfetzen, die aus der Grundgeschichte übernommen wurden.

Die Ruhe vor dem Grusel

Da Jump-Scares – auch als BUH!-Effekt beim Erschrecken bekannt – in geschriebenen Geschichten nicht funktionieren, haben Autoren von Creepypastas zwei Möglichkeiten, Grusel in ihren Geschichten zu erzeugen: Entweder über die Atmosphäre oder Gore – also gaaanz viel Blut.

„Channel Zero: Candle Cove“ bedient sich Ersterem und verzichtet (fast) komplett auf Jump-Scares. Mit langsamen Bildern wird hier Grusel und Spannung aufgebaut, welche den Zuschauern dieses unangenehme Gefühl in der Magengrube bescheren. Dieser Spannungsaufbau sorgt ebenso dafür, dass weitergeguckt werden will. Man will wissen, was als nächstes passiert, da auf Erlösung von dieser Anspannung gehofft wird.

Bekanntes Verhalten

Schaut man sich Mike Painter als Protagonist genauer an, so ist er mehr Kind geblieben, als er erwachsen geworden ist. Er ist fest davon überzeugt, dass die Serie „Candle Cove“ für die mysteriösen Vorfälle verantwortlich ist. Ihm gegenüber steht der Kleinstadtpolizist Gary Yolen, gespielt von Shaun Benson, der die Vergangenheit am liebsten begraben will, es jedoch nicht schafft loszulassen.

Manchmal erinnert diese Konstellation an einen dieser alten Katastrophenfilme, in dem es einen Wissenschaftler gibt, der versucht, alle von der nahenden Katastrophe zu warnen, dem jedoch niemand glaubt. Die Rolle des Wissenschaftlers hat hier Mike, während Gary eher den stoischen Bürgermeister mimt, der den Strand trotz weißen Hais geöffnet lassen will. Während beide fest an ihren Positionen festhalten, bleibt Gary im Vergleich zu Mike ein eher eindimensionaler Charakter. Mike ist im Gegensatz dazu einerseits ein liebender Vater und ernster Laienermittler, andererseits aber auch ein egoistischer, naiver Sturkopf.

Zu erwähnen ist auch die wunderbare schauspielerische Leistung von Mikes Mutter Marla, die von Fiona Shaw gespielt wird, welche die meisten wohl als Tante Petunia aus den Harry Potter-Filmen kennen dürften.

Ein Musterbeispiel in seiner Kategorie

„Channel Zero: Candle Cove“ ist genau das, was man von einer Serienumsetzung einer Creepypasta erwartet. Ruhiger, gruseliger Spannungsaufbau, teils groteske Figuren und Monster und genug professionelle Naivität, sodass die Geschichte nicht durch zu starke Ernsthaftigkeit ins Lächerliche abrutscht, aber dennoch seine Idee glaubhaft rüberbringt.

Wer eher auf Mainstream- bzw. Popcorn-Horror, mit vielen Jump-Scares steht, wird sich bei „Channel Zero: Candle Cove“ eher langweilen. Fans von Atmosphärenhorror und Creepypastas kommen hier jedoch voll auf ihre Kosten.

[tds_note]Im September (20.09.) diesen Jahres kommt mit Slenderman ebenfalls die Verfilmung einer der bekanntesten Creepypastas ins Kino. In Amerika sind bereits zwei weitere Staffeln von „Channel Zero“ – „No end house“ und „Butcher’s Block“ – auf dem Sender Syfy erschienen, welche sich ebenfalls an bekannten Creepypastas orientieren. Es ist auch schon eine vierte Staffel geplant.[/tds_note]

Channel Zero: Candle Cove Season 1. Regie: Craig William Macneill. Drehbuch: Nick Antosca. Darsteller: Paul Schneider, Fiona Shaw, Shaun Benson, et al. Universal. 2018.

 

Bücherstadt Magazin

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