Was sind Open World Games?

von | 17.02.2020 | Open World Games, Spielstraße

Breath of the Wild (Screenshot: Zeichensetzerin Alexa)

Eine überflüssige Frage? Der Name sagt doch eigentlich schon alles, möchte man meinen: Ein Open World Game beschreibt ein Spiel mit einer offenen Spielwelt. Aber… wann genau ist eine Spielwelt offen? Sind Spiele nicht allein schon wegen ihres programmatischen Hintergrunds immer „geschlossen“? Satzhüterin Pia wirft zum Einstieg in die Reihe zu Open World Games anhand einiger Beispiele einen genauen Blick darauf.

Eine offene Spielwelt klingt fantastisch – grenzenlose virtuelle Freiheit! Der Trend geht nicht umsonst immer mehr in diese Richtung. Selbst Spiele, deren Konzept seit vielen Jahren ein linearer und stringent vorgegebener Verlauf war, werden mehr und mehr in Richtung offene Spielwelt entwickelt. Zum Beispiel die neuen Reboot-Teile von „Tomb Raider“ (TR) Lara Croft. Genauso wie die Zelda-Reihe waren es bisher Spiele, die vor allem linear verliefen. Mit „Breath of the Wild“ (BotW) hat Nintendo nämlich auch die Spielwelt von Zelda mehr denn je geöffnet.

Natürlich sind Spielwelten immer begrenzt – schon aufgrund ihrer programmatischen Herkunft. Im Gegensatz zu Jump’n’Run-Spielen, die einen ausschließlichen Weg vorgeben, wirken viele Spiele wie Open-World-Spiele. Doch ab wann können wir wirklich von einer offenen Spielwelt sprechen?

Ungehinderte Bewegungsfreiheit

Eine eindeutige Definition gibt es hierzu wie so oft in der Games Branche nicht. Wikipedia nennt im Grunde drei elementare Punkte, anhand derer eine offene Welt festgemacht werden kann: So würden Spieler und Spielerinnen „überdurchschnittlich viele Freiheiten und Möglichkeiten“ besitzen, das Spiel zu spielen. Weiterhin hätten sie von „Spielbeginn an ungehinderte Bewegungsfreiheit“ und immer die eigene Entscheidung, „was [sie] wann und wie in der Spielwelt erkunden möchte[n].“

In seiner Doktorarbeit beschreibt der Tscheche Thomás Plch den Charakter der Open-World-Spiele folgendermaßen: „Open World Games (OWGs) können als virtuelle Umgebungen verstanden werden, die dem Spieler maximale Bewegungsfreiheit und Aktionen bieten. Einfach gesagt, sollte der Spieler überall hingehen können. Ein OWG im großen Maßstab ist eine kontinuierliche Welt, in der alles gleichzeitig geschieht. Häufig sind es Spiele, die eine umfangreiche virtuelle Landschaft abdecken, bis zu hunderte von Quadratkilometer.“ (Plch 2017)

Mangels einer eindeutigen Definition machen wir also ein Open World Game an bestimmten Merkmalen fest, die es uns erleichtern, zwischen gewissen Freiheiten im Spiel und einer richtigen offenen Spielwelt unterscheiden zu können.

Assassin’s Creed Syndicate (Screenshot: Satzhüterin Pia)

Unendliche Weiten

Zuallererst haben wir also eine offene Spielwelt, die sich besonders durch immens große Landschaften auszeichnet. Durch einen weit entfernten Horizont (zum Beispiel „Far Cry Primal“, dessen urzeitliche Wildnis nicht zu enden scheint), wird es Spielerinnen und Spielern immer wieder bewusst, wie viel Raum sich ihnen für so viele Spielstunden eröffnet. Denn man kann sich in Open World Games stundenlang verlieren, mehr oder weniger „sinnlose“ Handlungen ausführen und die Haupthandlung nach Belieben weiterführen. (Mehr zu den Nebenaufgaben weiter unten im Text.)

Diese offene Spielwelt kann (in Teilen) von Anfang an erforscht werden. In Teilen, weil selten eine Spielwelt von Beginn an komplett offen ist, sondern zumeist mit der Zeit erschlossen wird. Erschlossen wird sie vor allem dann, wenn die Spielfigur sich aufrüsten kann, Erfahrungspunkte gesammelt werden oder nach bestimmten Sequenzen ein weiterer Teil der Welt freigeschaltet wird. Gilt „in Teilen“ also? Sehen wir es ganz streng, wären zum Beispiel die „Assassin’s Creed“-Spiele (oder wenigstens einige daraus, ich habe nicht alle gespielt) eher Open World Games als zum Beispiel die neuesten Teile von TR.

Während wir zum Beispiel bei „Assassin’s Creed Syndicate“ (ACS) London prinzipiell komplett von Beginn an bereisen können (auch wenn sich das nicht unbedingt empfehlen mag), schalten sich bei TR die Bereiche erst nach und nach frei – wir können nie von Beginn an auf alle Bereiche zugreifen. Fairerweise behauptet TR auch nicht von sich, ein Open World Game zu sein. In BotW ist nach einem einführenden Tutorial alles jederzeit möglich (man kann auch direkt zum Endboss gehen und versuchen, ihn zu besiegen, wird allerdings vermutlich scheitern, weil man noch nicht die nötigen Skills hat; aber die Möglichkeit wäre da.)

Dennoch kann auch TR (wir sprechen hier immer vom Reboot von 2013, 2015 und 2018), im Gegensatz zu linearen Spielen, die aus einzelnen Leveln und aus einer festgelegten Reihenfolge an Aufgaben bestehen, in Teilen als Open World Game bezeichnet werden. Dazu wird es im Verlauf dieser Themenreihe noch weitere Texte geben.

Nur eine Illusion?

Besonders bei den von Spielern zu erledigenden Aufgaben (=Quests), merkt man, dass es hauptsächlich um den Eindruck einer offenen Spielwelt geht: Hier wird versucht, eine festgelegte Abfolge der Aufgaben zu vermeiden, aber alleine aufgrund der Handlung, für die die Aufgaben wichtig sind, ist eine vollkommen freigestellte Reihenfolge nicht möglich. So ganz lässt sich die narrative Ebene also nicht ausklammern: Eine Geschichte entwickelt sich über aufeinander aufbauende Ereignisse. Sehr viel einfacher ist dies in linearen Videospielen zu erfüllen. Der Punkt zur Entscheidungsfreiheit, „was [Spieler] wann und wie in der Spielwelt erkunden möchte[n]“ (Plch 2017), ist also zumindest nicht auf die Quests zu übertragen. Aus narrativer Sicht muss immer auch eine Vorgabe herrschen. Nebenaufgaben, also Side Quests, sind dagegen optional und nicht unmittelbar wichtig für den Spielverlauf, haben also keine direkte Auswirkung darauf. Man kann sich damit länger in der Spielwelt aufhalten, die Spielfigur hoch leveln, oder bestimmte Ressourcen erhalten, greift aber nicht in die Handlung direkt ein.

Tomb Raider (Screenshot: Satzhüterin Pia)

Riesige Spielwelten

Ein weiteres Merkmal für Open World Games ist die Größe der Spielwelt, die zu Fuß meist kaum zu bezwingen ist. Entweder helfen hierbei Fortbewegungsmittel (bei ACS reisen wir, beziehungsweise Jacob und Evie Frye, stilecht, wie es sich für das 19. Jahrhundert gehört, mit Kutschen durch London), oder sogenannte Schnellreisepunkte. Sowohl TR, BotW als auch AC dienen damit: Bei AC sind es die typischen Adlerausgucke auf Kirchtürmen und ähnlichem, bei TR sind es die Lagerfeuer, an denen Lara auch Kleidung, Ausrüstung und weiteres einsehen und anpassen kann, bei BotW kann man sich zu aktivierten Schreinen und Türmen teleportieren.

Die jeweiligen Gebiete hängen zusammen und bilden so eine riesige Spielwelt. Und vor allem können sie ohne Ladebildschirm betreten werden. Ausnahmen bestätigen die Regel, zum Beispiel gehen die Schnellreisepunkte immer mit Ladebildschirmen einher. Wenn wir aber mit der Kutsche quer durch London rasen, passiert dies ohne Ladestopps. Bei TR ist dies ganz tricky, so viel sei an dieser Stelle schon verraten: Hier haben die Entwickler versteckte Ladebildschirme eingebaut und lassen Lara lediglich besonders mühevoll und langsam durch Felsspalten kriechen. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als der Ladebildschirm.

Zum Weiterlesen:

  • Plch, Tomáš: Believable Decision Making in Large Scale Open World Games for Ambient Characters. Prag. 2017. (Eigene Übersetzung)
  • Open-World-Spiel (Wikipedia)
  • BK-Ausgabe 24, S. 27 (FC Primal)

[tds_council]Wie findet ihr diese neue Entwicklung? Mögt ihr es, euch in einer offenen Spielwelt verlieren zu können und ewig durch die – zumeist grandios aussehenden – Landschaften zu streifen? (Ich persönlich könnte alleine deswegen ewig Zeit bei „Far Cry Primal“ verbringen.) Oder mögt ihr lieber die klassisch linearen Videospiele?[/tds_council]

[tds_note]Ein Beitrag zur Themenreihe „Open World Games“. Vom 17. bis zum 25. Februar 2020 stellen wir euch in der Spielstraße anhand von augewählten Open-World-Spielen unterschiedliche Open-World-Konzepte vor. Hier werden alle Beiträge gesammelt. Wir wünschen allen viel Freude beim Lesen und sind gespannt auf eure Kommentare!

 

Grafik (Open World Map): Satzhüterin Pia[/tds_note]

 

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