„Wörter erfinden ist etwas Wunderbares“

von | 02.06.2024 | Bilderbücher, Buchpranger

Wörter (er)finden, mit Sprache spielen und die Lust am Lesen wecken: „Der Wortschatz“ von Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger zeigt anschaulich die kraftvolle Wirkung von Wörtern und wie wichtig es ist, achtsam mit diesen umzugehen. – Von Zeichensetzerin Alexa

Oscar, der Protagonist der Geschichte, findet eines Tages eine Holztruhe, in der sich ganz viele Wörter befinden. Zunächst weiß er nicht, was er mit ihnen anfangen soll. Aber dann begreift er, dass er seine Umgebung mithilfe der Wörter verändern kann. Er klatscht das Wort „haarig“ an die Eiche – und plötzlich hat der Baum Haare statt Blätter. Er schnippt „monströs“ auf einen Käfer – und der Käfer wird mächtig und angsteinflößend. So experimentiert Oscar weiter und verändert mit der Kraft von Wörtern Tiere und Gegenstände, bis er keine Wörter mehr hat. Was jetzt? Oscar begibt sich mit Louise auf Wörtersuche. „Wörter erfinden ist etwas Wunderbares“, meint sie. Und dass man sie jederzeit und überall finden kann. Sie zeigt Oscar, wie es funktioniert: „Es ist, als würdest du mit deinen Wörtern ein Bild malen.“

Sehr passend sind da Simon Röthlisbergers Illustrationen, die in überwiegend dunklen, erdigen Farben gestaltet sind. Sie bilden nicht nur den Text ab, sondern erzählen darüber hinaus, transportieren Stimmungen und Charaktereigenschaften. Und überall sind hervorgehobene Wörter integriert. Da macht das Betrachten und Entdecken noch viel mehr Spaß.

„Der Wortschatz“ erinnert thematisch an „Die große Wörterfabrik“ von Agnès de Lestrade und Valeria Docampo. Auch hier geht es um die Bedeutung von Wörtern und dass man sie nicht im Überfluss hat. Der große Unterschied liegt darin, dass Oscar in „Der Wortschatz“ Wörter selbst herstellen und Sprache damit beeinflussen kann, während die Menschen in „Die große Wörterfabrik“ von der Wörterfabrik abhängig sind, Wörter also kaufen müssen. Dahinter steckt ein kapitalistischer Gedanke, der zeigt, dass sich nicht alle leisten können, viel zu sprechen und teure Wörter zu verwenden.

Das Bilderbuch „Der Wortschatz“ will die Lust an Sprachexperimenten, am Wörtererfinden und Selberlesen wecken und schafft das auch. Kinder ab 4 Jahren erwartet hier eine spannende Geschichte mit witzigen Beispielen und Wörterkombinationen. Grundschulkinder werden dazu eingeladen, weiterzudenken und neue Wörter zu erfinden. Sehr zu empfehlen ist außerdem das pädagogische Begleitmaterial für die Grundschule, das auf der Verlagsseite kostenlos heruntergeladen werden kann.

Der Wortschatz. Text: Rebecca Gugger. Illustration: Simon Röthlisberger. NordSüd. 2024. Ab 4 Jahren.

Alexa Sprawe

Alexa Sprawe

Alexa ist als Chefredakteurin an den verschiedensten Orten der Bücherstadt anzutreffen, vor allem dort, wo die Redaktionsmitglieder an neuen Ideen tüfteln, ein kritischer Blick auf Texte gefragt ist oder es um Gestaltungsfragen geht. Sie hat Germanistik und Kunst-Medien-Ästhetische Bildung an der Uni Bremen studiert und den Bücherstadt e.V. mitgegründet. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern in Halle an der Saale und ist als freiberufliche Kunst- und Medienpädagogin in unterschiedliche Projekte eingebunden.

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