Woher kommen die Leichen?

von | 29.10.2023 | #Todesstadt, Buchpranger

Geschichtenbewahrerin Michaela liebt klassische Gruselgeschichten aus dem Viktorianischen Zeitalter. Die Kurzgeschichte „Der Leichenräuber“ von Robert Louis Stevenson bereitete ihr einen wohligen Schauer.

Im Wirtshaus eines Dorfes treffen ein Londoner Arzt und ein heruntergekommener, vor Jahren zugezogener Mann, dem man medizinische Kenntnisse nachsagt, aufeinander. Sie kennen sich aus früheren Jahren und der Ortsansässige ist wütend und macht dem Londoner Doktor Vorhaltungen, sodass dieser das Wirtshaus fluchtartig verlässt. Dem anonymen Ich-Erzähler gelingt es schließlich, dass der Mann ihm seine Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die immer dunkler wird und im Horror endet.

Stevenson ist bekannt für sein Abenteuerroman „Die Schatzinsel“. Mit „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ bewies er, dass er auch Gruselromane schreiben kann. „Der Leichenräuber“ ist spannend, düster und typisch für diese Art Gruselgeschichten. Stevenson hat auch seine Kurzgeschichte in die Welt der Wissenschaft gelegt. Zu seiner Zeit gehörte Edinburgh – hier haben die beiden Mediziner ihre gemeinsame Vergangenheit und Robert Louis Stevenson wurde dort geboren – zum führenden Wissenschaftsstandort in Europa, vor allem in der Medizin. Die Anatomiekurse waren gut besucht und schon bald reichten die Körper der Hingerichteten und der Selbstmörder, die legal für die Lehre genutzt wurden, nicht mehr aus. Selbst bekannte Professoren nutzten die Dienste der sogenannten Leichenräuber, die aus frischen Gräbern die Körper ausgruben und verkauften. Und wenn das auch nicht mehr ausreichte? Oder es noch frischere Leichen gab? Männer in diesem Geschäft kannten keine Skrupel.

Hinweise auf historisch belegte Personen, die dieses Geschäft betrieben, gibt Stevenson mit den Erwähnungen des Serienmörders William Burkes und eines Mr. K, bei dem es sich offensichtlich um Robert Knox, einen Mediziner und Betreiber einer Anatomieschule, handelt.

„Der Leichenräuber“ ist unaufgeregter als moderne Horrorgeschichten, aber nicht minder spannend. Die Atmosphäre, die Figuren und die Handlungsorte verursachen Gänsehaut.  

Der Leichenräuber. Robert Louis Stevenson. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung Leipzig. Übersetzung von Curt Thesing. 1987.

Ein Beitrag zur Todesstadt. Hier findet ihr alle Beiträge.

Michaela Kieckheim

Michaela Kieckheim

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir sind umgezogen!

Wir sind kürzlich umgezogen und müssen noch einige Kisten auspacken. Noch steht nicht alles an der richtigen Stelle. Solltet ihr etwas vermissen oder Fehler entdecken, freuen wir uns über eine Nachricht an mail@buecherstadtmagazin.de – vielen Dank!

Newsletter

Erhaltet einmal im Monat News aus Bücherstadt. Mehr Informationen zum Newsletter gibt es hier.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner