Das Thema Flucht beschäftigt zurzeit sehr viele Menschen, und es ist natürlich auch Gegenstand literarischer Auseinandersetzung. So beschrieb Akos Doma in „Der Weg der Wünsche“ eine wagemutige Flucht aus dem sozialistischen Budapest – und schaffte es damit auf die Longlist des Deutschen Buchpreises. Worteweberin Annika hat sich mit dem Werk beschäftigt.
Teréz und Károly können ihr Leben voller Schikanen in der winzigen Budapester Wohnung nicht mehr ertragen und beschließen 1972 schweren Herzens, einen Neuanfang zu wagen. Versuchen wollen sie den in Deutschland, doch niemand darf davon erfahren, nicht einmal die Kinder Bori und Misi. So beladen die Eltern das Auto mit reichlich Gepäck, Hund, Kindern und lauter Wünschen für die Zukunft und lassen ihre Heimat hinter sich. Schnell dämmert den Kindern, dass hier etwas Größeres vorgeht als nur ein harmloser Urlaub. Denn natürlich ist die Flucht nicht unkompliziert, beinahe droht die Familie an der Grenze zu Italien aufzufliegen und später, im Auffanglager, zwischen Ratten und Hunger tauchen weitere Probleme auf.
Akos Doma führt uns in diesem Roman die Grausamkeit und Willkür vor Augen, denen die Familie während ihrer Flucht ausgesetzt ist. Ein Leben in der Warteschleife, wie es Teréz und Károly im Auffanglager begegnet, kann man sich auf dem heimatlichen Sofa kaum vorstellen, beim Lesen tritt das Gefühl des Schwebens im Übergang, des Provisorischen aber klar hervor. Das erscheint in unserer heutigen Gesellschaft besonders wertvoll, einer Gesellschaft, in der tausende Menschen in die Fremde ziehen, ohne zu wissen, wie es mit ihnen weitergehen wird. Und auch die Gefühle der Flüchtenden werden sehr eindringlich beschrieben, sei es nun die Trauer, sein gewohntes Umfeld hinter sich lassen zu müssen, oder die Hoffnung, ein besseres Leben zu finden. Dass Flucht zu allen Zeiten ein Thema ist, darauf weisen die Erinnerungen von Teréz hin, die selbst als Kinder vor dem Weltkrieg fliehen musste.
Der Autor, Akos Doma, stammt selbst ursprünglich aus Budapest, lebt aber heute mit seiner Familie in Deutschland. Er ist als Jugendlicher mit seiner Familie geflüchtet. Inzwischen hat er sich in Deutschland als Autor einen Namen gemacht und wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, zum Beispiel dem Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis. Dieser wird an Autoren vergeben, die nach einem Kulturwechsel in deutscher Sprache schreiben.
Auch wenn Domas Roman 1972 spielt, nicht also während unserer heutigen „Flüchtlingskrise“, ist er aktuell und lohnenswert für alle, die sich von einer anderen Seite mit dem Thema Flucht beschäftigen wollen, nämlich aus der Perspektive der Flüchtenden selbst.
Der Weg der Wünsche. Akos Doma. Rowohlt. 2016.
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