Zehn Meter oben im Himmel

von | 06.08.2019 | Buchpranger, Kinder- und Jugendbücher

Romane werden normalerweise in Prosa erzählt, Kapitel, ganze Sätze, alles ganz „normal“. In „Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen“ macht Steven Herrick alles ein bisschen anders und wurde deshalb für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2019 nominiert. Worteweberin Annika hat den Roman in Versen gelesen.

„Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen“ erzählt vom Erwachsenwerden, vom Glück und Schmerz des Lebens, von der ersten Liebe. Die Mutter von Harry und Keith ist verstorben, nun sind die beiden Jungs mit ihrem Vater alleine. Jeden Abend sitzen sie im Garten und essen eine Wassermelone – erst wird sie vom Vater in Stücke geschnitten, später, nach seinem Unfall, ist es der ältere Bruder Harry, der die Aufgabe übernimmt.

Er ist der Ich-Erzähler dieses Romans, der mit verschiedenen Situationen der Jugend zu kämpfen hat. Seine sehr gute Freundin Linda verunglückt beim Schwimmen, doch in Harrys Erinnerung ist sie weiter präsent. Allerdings gibt es noch einen weiteren Jungen, der immer wieder an ihr Grab kommt. Und natürlich gibt es auch andere Streitigkeiten zwischen den Jugendlichen, Freundschaften, Eifersucht. Außerdem enthält dieses Buch ein ganz wunderbares Kapitel über das Lesen, das das Herz jedes Bücherwurms höherschlagen lässt:

„Dad ist weit weg
auf einer Farm,
in einem Dschungel,
auf einem schaukelnden Schiff. […]
Dann hält er mir das Buch hin
und meint:
‚Lohnt sich,
den Ort zu besuchen, Harry.
Weißt du das?
Ein schöner Ort,
bevor du einschläfst.‘“ (S. 182-183)

Dass Herricks Roman in Versen erzählt ist, bedeutet nicht, dass sich dieser Text reimt, dass es Strophen oder gar Refrains geben würde. Herricks verwendet lediglich eine sehr rhythmische Sprache und lässt seine Sätze über mehrere Verse fließen. Natürlich wird hier nicht alles auserzählt und -fabuliert wie in einem „normalen“ Roman – „Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen“ ist ein poetischer Text voller Leerstellen, voller magischer Sprach- und Glücksmomente, der sich auf einzelne Situationen und Details konzentriert, die sich dafür umso tiefer einprägen.

„Meine Stadt
erzählt mir ihre Geheimnisse,
während ich
still dasitze,
zehn Meter oben
im Himmel.“ (S. 72)

Wer bereit ist, die eigenen Lesegewohnheiten zu überlisten und einen etwas anderen Roman zu lesen und wer Freude an Sprache hat, sollte zu diesem tollen Buch greifen. Der Text liest sich trotz der ungewöhnlichen Form flüssig, überrascht und macht glücklich! Nun heißt es Daumen drücken, dass das auch mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2019 belohnt wird. Welcher Titel den Preis gewinnt, wird am 18. Oktober 2019 auf der Frankfurter Buchmesse bekannt gegeben.

Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen. Steven Herrick. Aus dem australischen Englisch von Uwe-Michael Gutzschhahn. Thienemann. 2018.

 

Bücherstadt Magazin

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