Das stand-alone-spin-off-Sequel eines Netflix-Erfolgs-Animes

von | 30.10.2023 | #Todesstadt, Filmtheater, Serien, Specials

Mit „Castlevania: Nocturne“ setzt der Streaming-Dienst Netflix 2023 eine erfolgreiche Eigenproduktionen fort. Creator und Drehbuchautor Clive Bradley erzählt hier die Geschichte um die Monsterjägerfamilie Belmont weiter. Geschichtenerzähler Adrian beantwortet die Frage, ob „Nocturne“ eine würdige Ergänzung der „Castlevania“-Serie ist.

1792 ist die Französische Revolution in vollem Gange. Das einfache Volk erhebt sich gegen den Adel – der zu großen Teilen aus Vampiren besteht. Auch in der Gemeinde Machecoul regt sich die Revolution, was die Aristokratie mit Überfällen durch Nachtkreaturen auf die geheimen Versammlungen verhindern will. Dagegen stellen sich der junge Richter Belmont und seine Adoptivschwester Maria Renard.

Neben den Angriffen der Nachtkreaturen mehren sich auch die Gerüchte über einen Vampir-Messias. Mithilfe der karibischen Revolutionäre Annette und Edouard, treten Richter und Maria dem drohenden Unheil entgegen.

Das Beste kommt zuerst

Ebenso wie in der Original-Serie leistet das Animationsstudio Powerhouse Animation hier optisch fantastische Arbeit. Kämpfe sind dynamisch und allgemein wirken Bewegungen sowie Gestik und Mimik natürlich. Kleine Einschläge von Aquarell- und Ölmalerei in den Landschaftsdarstellungen unterstreichen die trügerische Kleinstadtidylle. Genauso positiv hervorzuheben sind die Synchronsprecher*innen – sowohl im Englischen als auch im Deutschen.

Fehlzündung beim Start

„Nocturne“ muss sich den Vergleich mit der Original-Serie gefallen lassen, da diese große Fußspuren hinterlassen hat, die „Nocturne“ kaum zu füllen vermag. Schnell ist dieser starke Qualitätsunterschied zu bemerken.

Die Original-Serie ließ sich noch eine Staffel – fünf Folgen – lang Zeit, sowohl Dracula als gottgleiche, antagonistische Instanz als auch die drei Protagonist*innen Trevor, Sypha und Alucard vorzustellen. Nebenbei wurden die Welt, ihre Bewohner und die verschiedenen Parteien etabliert. Das erste Staffelfinale bedeutete ebenso das Ende des Prologs der Serie. Hiernach waren die Zuschauenden gut genug mit der Welt vertraut, sodass es richtig losgehen konnte.

„Castlevania: Nocturne“ hingegen quetscht jenen Prolog in die erste Folge. Nach dieser sollen wir Zuschauenden mit vier für uns fast unbekannten Protagonist*innen mitfiebern.

Die Frage nach dem Hauptcharakter

Die erste Folge beschreibt Richter klar als Hauptprotagonisten und Maria als Nebenprotagonistin. Doch im Laufe der zweiten Folge schwenkt der Fokus immer mehr auf Annette und mit Beginn der dritten Folge verschiebt sich die Rolle des Hauptprotagonisten beinah komplett auf sie. Die erste Hälfte der dritten Folge ist allein ihrer Hintergrundgeschichte gewidmet. Von den Held*innen hat Annette die meiste Screentime und ihr Handeln treibt die Gruppe häufig voran.

Neben Richter ist Annette eindeutig die interessantere Figur. Als ehemalige Sklavin in der Karibik floh sie und wurde Teil der dortigen Revolution der Schwarzen gegen die vampirischen Plantagenbesitzer. Aktuell noch arrogant und übermütig, wodurch sie andere in Gefahr bringt, bietet sie zudem viel Raum für Charakterentwicklung. Schade also, dass die Serie ihr die Rolle der Hauptprotagonistin nicht von Anfang an zugesteht, sondern der vertraute Name Belmont für teils irreführendes Marketing genutzt wird.

Irrationalität von ganz oben

Betrachtet man die Taten der Figuren, lassen sich diese größtenteils einzig damit erklären, dass der Drehbuchautor das halt so wollte. Allein, dass die Protagonist*innen die Sonne als Vorteil komplett ignorieren und sich willentlich stets die Nacht aussuchen, um gegen die Vampire in die Schlacht zu ziehen.

In einer Szene sagen die Antagonisten sogar noch, dass sie eine Figur an einer bestimmten Stelle haben wollen und in der nächsten Szene macht sich eben jene Figur, ohne ersichtlichen Grund, alleine in der Nacht auf den Weg zu eben jener Stelle. Überraschung: Die Figur rennt in eine Falle. Die Autoren wollten hier offensichtlich auf Biegen und Brechen eine Geschichte durchziehen, für die die nötige Zeit fehlte. Anders lassen sich die teils dämlichen Handlungen der Figuren nicht erklären.

Zu viel tell, zu wenig show

Schaut man, wie Dracula 2017 vorgestellt wurde, stellte sich als Zuschauer*in Ehrfurcht ein. Sein riesiges, flammendes Antlitz in den Wolken, der verdunkelte Himmel, Blutregen, Nachtkreaturen überfluten die Stadt und Straßen voller Leichen. Szenen voller Horror und Entsetzen. „Nocturne“ bietet dagegen Worte. Seit der ersten Folge wird immer wieder betont, wie mächtig und grausam jene Vampir-Messias sein soll. Doch keine Taten oder Bilder bestätigen dies. Als der Name jener mächtigen Vampirin genannt wird, herrscht großes Entsetzen, doch warum? Als Zuschauer*in hat man zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung.

ACHTUNG! SPOILER!

In der siebten Folge tritt eben jene Vampirin auf den Plan und beschwört eine schwarze, handballgroße Kugel. Erneut große Angst und Ehrfurcht unter den anwesenden Vampiren, doch noch immer keine Erklärung für die Zuschauenden. Erst in der finalen, achten Folge erhält man Kontext. Mit der schwarzen Kugel kann man die Sonne verdunkeln. Zudem ist die Messias scheinbar unverwundbar. Die Folgen aus diesem Wissen sind jedoch ernüchternd, denn mehr als die Sonne verdunkeln und unverwundbar sein macht jene mächtige Vampirin nicht.

Fazit: Enttäuschend

„Castlevania: Nocturne“ kann sich als Serie gerade mal so auf den eigenen Beinen halten und kratzt nicht mal am Niveau des Originals. Allgemein steckt so viel verschenktes Potential darin: das Chaos der französischen Revolution gepaart mit Palästen voller Vampire und dazu noch die Intrigen der Kirche im Hintergrund.

Hinzu kommt eine Hauptprotagonistin durch die Hintertür, farblose und teils unsympathische Charaktere, nicht nachvollziehbare Entscheidungen der Figuren und des Drehbuchautors sowie eine wenig furchteinflößende Antagonistin. Der Wechsel von Waren Ellis zu Clive Bradley auf dem kreativen Chefsessel ist leider stark negativ spürbar. Optisch dennoch überzeugend.

Castlevania: Nocturne. Regie: Sam & Adam Deats. Drehbuch: Clive Bradley. Mit den Stimmen im englischen Original von Edward Bluemel, Pixie Davies, Thuso Mbedu u.a. Netflix. 2023.

Ein Beitrag zur #Todesstadt.

Adrian Ziebarth

Adrian Ziebarth

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