Die Geister des Zweifels

von | 03.06.2018 | Filme, Filmtheater

Gibt es so etwas wie Geister? Mit dieser Frage inszenieren die beiden Regisseure Andy Nyman und Jeremy Dyson einen Film, der an einem Musterbeispiel für Horrorfilme kratzt, jedoch beim Kratzen bleibt. Geschichtenerzähler Adrian und Geschichtenzeichnerin Celina haben sich die Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks angeschaut.

Der Parapsychologe und Skeptiker Phillip Goodman, gespielt von Nyman selbst, hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, zu beweisen, dass es weder Geister, Hellseher noch sonstige paranormale Phänomene gibt. Seiner Meinung nach lassen sich all diese Ereignisse und Fähigkeiten durch simple Psychologie, Physik oder technische Spielereien erklären.

Als er jedoch eine Nachricht von seinem Vorbild, Charles Cameron, erhält, der eigentlich für tot gehalten wird, folgt Goodman der darin enthaltenen Einladung zu einem Treffen sofort. Der alte und kranke Mann, dem er in einer heruntergekommenen Wohnwagensiedlung daraufhin gegenübertritt, hat nur noch wenig mit Phillips großem Idol zu tun. Dennoch nimmt Goodman die Bitte von Cameron an, die drei Fälle zu lösen, die er selbst nie entschlüsseln konnte. Daraufhin wird er mit drei Geschichten konfrontiert, die ihn selbst an die Grenzen des Glaubbaren treiben.

Verschenktes Potential

„Ghost Stories“ greift das Thema ‚Gibt es so etwas wie Geister?‘ wunderbar auf und stellt den sturen Glauben seines Protagonisten auf die Probe. Diese Thematik hätte man nutzen können, um jemanden nicht nur an die Grenzen seiner Vorstellungen zu bringen, sondern auch an den Rand des gesunden Verstandes. Jedoch verschenkt der Film mit zunehmender Laufzeit immer mehr von dem Potential, das ihn von anderen modernen Vertretern seines Genres abgehoben hätte.

Beginnt der Film noch mit teils ruhigen Bildern, die an den Charakter des Zynikers Phillip Goodman heranführen, so verkommt dieser mit den drei Geschichten immer mehr zu einer beinahe unerträglichen Jump-Scare-Orgie. Das Stilmittel des fast schon infantilen „BUH!“-Effekts ist aus dem heutigen Horror-Genre kaum noch wegzudenken und beraubt dieses Genre mehr und mehr seines wahren Horrors.

Silberstreif

Immer wieder schimmert in „Ghost Stories“ dieser beinahe verlorengegangene Effekt des psychologischen, schaurigen Atmosphären-Horrors durch, manifestiert durch ein bedrückendes Gefühl im Bauch, Gänsehaut und das Anspannen der Muskeln. Allein der Anfang der ersten Geschichte, rund um Nachtwächter Tony Matthews, in dem immer wieder lange und ruhige Aufnahmen einer zwielichtig erleuchteten Halle verwendet werden, zeigt, welche Angst man in Menschen auslösen kann, auch wenn nichts passiert. Als es dann langsam mit dem Horror für Matthew losgeht, beginnt es mit kleineren sonderbaren Ereignissen. Jemand schaltet immer wieder die Flutlichter aus, Gegenstände werden verrückt und langsam baut sich der Horror auf, bis er schließlich doch in einem fast befreienden, gut gesetzten Jump-Scare endet – Jump-Scares sind an sich ja nichts Schlechtes, nur die Dosis macht das Gift.

Auch die Szenerie und Atmosphäre, die in dem Haus von Simon Rifkind, dem Protagonisten der zweiten Geschichte, herrscht, die den Zuschauern eine Gänsehaut verpasst, hatte schon mehr Mysterien zu bieten als vergleichbare Horror-Haus-Geschichten – beispielsweise „Conjuring“ oder „Insidious“. Leider ist auch hier wieder viel verschenktes Potential zu betrauern. Bis auf wenige, kurze Szenen, wird kaum mehr auf die unheimlichen Geschehnisse im Haus eingegangen, dafür aber eine andere Geschichte erzählt, die beinahe schon lächerlich erscheint.

Schaurig schöne Farben

Die schaurige Atmosphäre wird noch von der für den Film gewählten Farbwahl unterstützt. Die Regisseure Nyman und Dyson entschieden sich in den Gegenwartsszenen für erdige Farbtöne, die gemeinsam mit der meist tristen Wetterlage eine sehr dumpfe und bedrückende Stimmung verbreitet. In den einzelnen Geschichten wurde mehr auf kältere Farben wie etwa Blau gesetzt, die in Kombination mit dem Spiel von Licht und Schatten Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit suggerieren.

All dieses Farbenspiel, sei es nun Teil der geschilderten Geschichte oder in Goodmans Gegenwart, vermittelt keinerlei Freude und sorgt dafür, dass auch die gezeigten Bilder in ihrer Unheimlichkeit viel intensiver erscheinen, da sie eine Atmosphäre aufbauen, die die Zuschauer packt und nicht mehr loslässt.

Der Fluch des modernen Horrors

Nymans und Dysons „Ghost Stories“ hätte die Chance gehabt, den Klischees des modernen Horrorkinos zu entkommen und ein Film zu werden, der durch Atmosphäre und passend gesetzte Schocker besticht. Jedoch verwendete man auch hier dieses unsägliche Stilmittel des Jump-Scares so exzessiv, dass es den Zuschauern ziemlich schwer fällt, sich gänzlich auf den Film einzulassen. Man wartet eigentlich nur auf das nächste „BUH!“.

Trotz all der positiven Seiten und dem wirklich gelungenen Plot Twist am Ende ist „Ghost Stories“ leider nur bedingt zu empfehlen. Dieser Film bietet sich vor allem für jene an, die einen schreckhaften Date-Partner in ihre Arme treiben wollen, Geisterbahnen aber dann zu plump finden.

Ghost Stories. Regie & Drehbuch: Andy Nyman & Jeremy Dyson. Schauspieler: Andy Nyman, Martin Freeman, Paul Whitehouse. Concorde Filmverleih GmbH. 2017. FSK 16.

Bild: Concorde Filmverleih GmbH

 

Bücherstadt Magazin

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