François Mitterand vergisst seinen Hut im Restaurant, woraufhin dieser eine Odyssee durch die französische Gesellschaft beginnt. Das ist Antoine Laurains Roman „Der Hut des Präsidenten“. Mit ihm ist Worteweberin Annika von Kopf zu Kopf durch Paris und ganz Frankreich gereist.
Frankreich, in den 1980er Jahren. Daniel Mercier ist Familienvater und mittlerer Angestellter in einem Finanzunternehmen. Fanny Marquant verfasst Kurzgeschichten und unterhält seit Jahren eine Affäre mit einem verheirateten Mann, ohne Aussicht auf eine Zukunft. Pierre Aslan hat schon etliche erfolgreiche Parfums kreiert, doch inzwischen steckt er in einer Krise, aus der ihm auch sein Psychotherapeut nicht heraus helfen kann.
Bernard Lavallière lebt ein bourgeoises Leben in einer Wohnung voller Stuck, Antiquitäten und verstaubter Ansichten. Und François Mitterand ist französischer Präsident. Was sie gemeinsam haben? Sie alle tragen, wohlgemerkt nacheinander, denselben Hut. Dieser Hut, so scheint es, verleiht ihnen die Kraft, in ihrem Beruf zu überzeugen, ihr Liebesleben umzukrempeln und ihren Alltag auf den Kopf zu stellen. Kein Wunder, dass jede der Figuren den Hut gerne behalten würde. Doch wie der Zufall es so will, wandert er weiter, vom einem zum anderen.
Die Figuren in Laurains Roman eröffnen ein Panorama der französischen Gesellschaft, jede mit ihren ganz eigenen Macken und Eigenschaften. So entstehen spannende Geschichten über besondere Figuren, die nur durch diesen wundersamen Hut verbunden sind. Jede Figur hat ihre eigenen Wünsche und Gründe, den schwarzen Wunderhut zu tragen. Ebenso gibt es verschiedene Arten, mit der glückbringenden Kopfbedeckung umzugehen: Behalten, verschenken, nachjagen… Antoine Laurain lässt offen, ob es wirklich die Macht des Hutes ist, die all diese Menschen beflügelt und vorantreibt. An dieser Stelle kann jeder Lesende selbst entscheiden, wie viel Magie er einem einfachen Gegenstand zugestehen möchte. Spaß macht der Epilog, durch den noch einmal ein ganz anderes Licht auf die Handlungen und auf bestimmte Figuren geworfen wird.
Die verschiedenen Zeitzeugnisse, egal ob künstlerisch mit Bezügen zu Basquiat, technisch mit dem Minitel oder politisch mit Mitterand und Kohl, erwecken die 80er Jahre zum Leben. Auch wer sie selbst nicht miterlebt hat, kann etwas vom Gefühl einer Zeit der Auf- und Umbrüche einfangen.
Wer wissen möchte, auf wessen Kopf der Hut am Ende landet, und wieso, sollte zu „Der Hut des Präsidenten“ greifen und sich von der charmanten Geschichte verzaubern lassen. Für unterhaltsame Stunden ist mit diesem Roman gesorgt.
Der Hut des Präsidenten. Antoine Laurain. Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer. Atlantik. 2016.
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