Lesen im Zug. Eine semiwissenschaftliche Studie

von | 08.06.2015 | Kreativlabor

Seit einigen Jahren wird im Zug wieder mehr gelesen. Ein Grund für Zeilenschwimmerin Ronja, sich lesende Mitreisende einmal genauer anzusehen und sie zum Thema dieser semiwissenschaftlichen Studie zu machen.

Zugleser lassen sich grob in zwei Unterarten aufteilen: die Eselsohrigen und die Technisierten. Eselsohrige Zugleser bevorzugen die Papiervariante eines Buches. Technisierte Zugleser setzen dagegen auf die digitale Bibliothek eines E-Readers.
Das Rascheln von Seiten, ein Lesezeichen, das Gewicht in den Händen, all das lieben eselsohrige Zugleser. Das sieht man auch ihren Büchern an, denn Reisebücher müssen viel mitmachen: wackelnde Züge, Reiseverpflegung und hastiges Einpacken. Leichte oder auch schwerere Gebrauchsspuren sind da nicht ausgeschlossen.
Aber Reisebücher sind schließlich keine Sammlerstücke. Sie sollen uns die Fahrt verkürzen und müssen praktisch sein. Daher greifen viele eher zum Taschenbuch. Nur hartgesottene Zugleser schrecken vor nichts zurück. Kein historischer Roman ist ihnen zu dick, kein Thriller zu schwer. Da sage noch einer, Leser würden ihre Muskeln vernachlässigen.
Tendenziell sind weibliche Zugleser häufiger zu beobachten als männliche. Dies reiht sich in eine Reihe allgemeinerer Studien ein, die besagen, dass Frauen durchschnittlich mehr Bücher lesen als Männer.

Über die bevorzugten Genres kann man sich auch in den Bahnhofsbuchhandlungen einen guten Überblick verschaffen. Krimis, Thriller, historische Romane und leichtere Kost nehmen den größten Teil neben den Zeitungen ein. Die Spiegel-Bestseller-Liste ist auch vertreten, ein wenig nachdenklichere Literatur, ein paar Kinder- und Jugendromane. Damit ist der gemeine eselsohrige Zugleser zufrieden. Ein erstaunliches Phänomen sind die sogenannten Groschenromane. „Bergdoktor“, „Perry Rhodan“ und Co. haben meistens einen eigenen kleinen Bereich, was bedeutet, dass auch sie gekauft werden. Dennoch habe ich bisher nie einen Menschen ein solches Heft kaufen geschweige denn lesen gesehen…

Bei den technisierten Zuglesern ist eine Titelspionage schwieriger. Kein Cover, keine Buchhandlung kann da verraten, was auf dem Display so spannend ist. Eine Tatsache, die Phänomene wie das der Groschenromane erklären könnte. Zum Beispiel habe ich auch nie jemanden im Zug „Fifty Shades of Grey“ in gedruckter Form lesen sehen. Kein Wunder, sagt der Spiegel, denn als E-Book verkauft sich die Reihe besonders gut.
Abgesehen von der Möglichkeit, nicht zu zeigen, was man liest, bietet ein E-Reader natürlich auch noch andere Vorteile. Vor allem wiegt er immer exakt dasselbe, unabhängig von der Anzahl der gespeicherten Bücher. So werden E-Books immer beliebter. Anders als bei gedruckten Büchern finden sich E-Reader, laut einer Umfrage des BITKOM, allerdings häufiger in Männerhänden.

Zugleser sind eine sehr vielschichtige Gruppe von Reisenden, mit unterschiedlichen Vorlieben und Zielen und ihren eigenen Geheimnissen, die sich selbst dann nicht ganz entschlüsseln lassen, wenn man selbst dazu gehört.

Foto: Sinja

Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

3 Kommentare

  1. Avatar

    Als täglich mit dem Bus Fahrende kann ich bestätigen, dass es die Eselsohrigen und die Technisierten auch in diesem Metier gibt.
    Sie tauchen zwar in geringeren Zahlen auf, aber das kann auch an meinen gewählten Fahrzeiten liegen. Wobei ich feststellen musste, dass es sich im Zug wesentlich angenehmer liest als im holprigen Bus.

    Auf alle Fälle kann ein Buch in der Hand in manch einer Situation auch für interessante Gespräche mit mit-Reisenden/-Fahrenden sorgen.

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  2. Avatar

    Hey 🙂

    Also, zumindest zu den Perry Rhodan-Lesern kann ich etwas sagen, denn da kenne ich einige – und die meisten sind mittlerweile auf einen E-Book Reader umgestiegen. Man könnte jetzt spekulieren, weil sie männlich und damit technik-affiner sind? Ich weiß es nicht. Da die meisten von ihnen aber immer noch eher Leser als Hefte-Sammler sind, hängt es wohl auch mit dem geringeren Preis zusammen – die E-Book Variante kostet halt doch etwas weniger.

    Ich tue übrigens beides: Ich lese sowohl Printbuch als auch E-Book im Bus, manchmal auch Hörbuch. Je nachdem worauf ich gerade Lust habe :). Und im Grunde ist es mir auch egal, welches Genre es ist. Heutzutage muss man sich meiner Meinung nach nicht mehr verstecken, wenn man erotische Romane liest. Als der Hype um SoG begonnen hat, habe ich damals jede Menge Frauen mit dem gedruckten (!) Buch gesehen, ich denke, es ist jetzt „salonfähig“ geworden :).

    Liebe Grüße
    Ascari

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  3. Avatar

    Hat dies auf Stadtbibliothek Euskirchen rebloggt und kommentierte:
    Schöner Beitrag zum Thema lesen unterwegs!
    Und wozu zählt ihr euch? – technisierte Zugleser oder eselsohrige Zugleser? 😉

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