Max‘ Leben mit seinen Monstern ist ein Blick in eine faszinierende Welt. Wild und treibend. Ruhig und emotional. Ein Blick, der alle Sinne fordert. – Von Stadtbesucher Lennart Koch
Max ist ein wilder, ungestümer Junge. Er handelt oft, bevor er nachdenkt. Max ist ein besonderer Junge, denn er hat Monster im Kopf. Manche Menschen würden wohl auch sagen, dass Max selbst ein Monster ist. Deshalb hat es Max oft nicht leicht. Seine Mutter, alleinerziehend, hat genug mit ihrer Arbeit zu tun und möchte zudem nicht mehr allein bleiben. Seine ältere Schwester hängt lieber mit ihren Freunden ab, als für Max den Babysitter zu spielen.
All das kulminiert sich an einem Abend. Max’ Mutter hat Besuch zu Hause und eigentlich soll Max nur sein Abendessen essen. Doch wieder einmal denkt Max nicht nach. Es kommt zum Streit und Max läuft von zu Hause weg. Mit einem Boot landet er da,
WO DIE WILDEN KERLE WOHNEN.
„Wo die wilden Kerle wohnen“ ist ein Spielfilm von Spike Jonze (Her) aus dem Jahr 2009, basierend auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Maurice Sendak. Es erzählt die Geschichte des Jungen Max, der nach einem Streit mit seiner Mutter von zu Hause wegläuft und mit einem Boot auf einer Insel landet, wo er verschiedensten Monstern begegnet.
Schon damals mochte ich den Film sehr, sehr gerne. Trotzdem habe ich ihn bis auf das eine Mal nie mehr gesehen. Er blieb aber in meinem Kopf. Ich konnte mich über all die Jahre genau an das Gefühl erinnern, das der Film in mir ausgelöst hatte. Jetzt, nach 14 Jahren, war es dann soweit und ich habe ein weiteres Mal „Wo die wilden Kerle wohnen“ gesehen. Die Frage, die sich mir natürlich stellte: Wie wirkt der Film über 10 Jahre später und hält die Erinnerung der Realität des Films stand?
Um jetzt hier nicht mehr Spannung als nötig aufzubauen, lautet meine Antwort: Ja. – Und nein. Der Film hat immer noch die gleiche Wirkung wie damals. Die wilden, lauten, alle Sinne reizenden Szenen und Sequenzen wechseln sich mit den stillen Momenten ab. Den nachdenklichen und melancholischen. Wie der Film ist, so ist auch Max’ Seelenleben. Das und das wunderbare Figurendesign der Monster sind auch heute noch genauso imposant, weil real. Wie damals hat der Film auch heute nichts von dieser Faszination verloren und trotzdem ist die Wirkung eine andere, weil sich meine Sichtweise verändert hat.
Mittlerweile habe ich viel mit Kindern zu tun, die so sind wie Max. Kindern, die mit ihrer Umwelt und ihren eigenen Monstern zu kämpfen haben und dabei eigentlich Unterstützung bräuchten. Vom Elternhaus bekommen sie die dabei aber kaum. Aus unterschiedlichsten Gründen. Und wo mein Blick beim ersten Schauen noch sehr auf die Sicht von Max fokussiert war und ich mir zwar der Bedeutung hinter all den Monstern irgendwie bewusst war, konnte ich es doch nicht ganz durchschauen. Es war mehr ein Gefühl.
Ein Gefühl, das jetzt mit Wissen und einer zusätzlichen Perspektive ausgefüttert wurde. Genau das sollten gute Filme tun und insbesondere gute Kinderfilme. Perspektiven erweitern, aber ihr Zielpublikum nicht aus den Augen verlieren. Der Film behält immer Max‘ Sichtweise im Sinn, besonders dadurch wie die Monster auf ihn – und auch auf mich als Zuschauer – wirken. Zu Beginn bedrohlich und erdrückend, stellt sich im Laufe des Films heraus, jedes Monster ist anders und doch simpel genug, dass es der kindlichen Fantasie von Max entspringen könnte. So simpel wie die Charaktere der Monster sind, so simpel sind dann auch die Probleme, die der Film behandelt. Simpel, aber nicht ohne Bedeutung.
Wo ist mein Platz in dieser Welt? Wer liebt mich, wenn nicht meine Familie? Und wohin mit all diesen großen, kaum zu händelnden Gefühlen? Gefühle, die Max immer wieder zu überwältigen drohen. Wie die Monster, wild und ungestüm, muss Max lernen mit ihnen zu leben, aber auch manche Monster hinter sich zu lassen.
All das hört sich einfach an. Aus der Sicht eines Erwachsenen so herunter gebrochen. Doch so etwas ist nie einfach. Besonders nicht für ein Kind, erst recht nicht für Max. Wäre ich Vater, würde ich vermutlich auch noch etwas aus der Elternperspektive schreiben. Da mir diese Sicht aber (noch) fehlt, verzichte ich darauf. Wer weiß, vielleicht kehre ich irgendwann noch einmal zu „Wo die wilden Kerle wohnen“ mit einer neuen Sicht auf den Film zurück, mit neuen Gefühlen, neuem Wissen und neuen Facetten. So wie es bei einem richtig guten Film sein sollte.
Bild: Max Records, Spike Jonze, Copyright Warner Bros. France
Wo die wilden Kerle wohnen. Regie: Spike Jonze. Drehbuch: Spike Jonze, Dave Eggers. Mit: Max Records, Catherine Keener u.a. USA. 2009. FSK 6.
Ein Beitrag zum Themenjahr #MonsterBK. Hier findet ihr alle Beiträge.
Spannender Blick auf einen Film – ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, wie unterschiedlich wir auf so etwas blicken, je nachdem welche Rolle wir gerade innehaben. Das Kind, das einen Film schaut oder die erwachsene Person, die den Film (wieder) anschaut und dann eben noch die weiteren Perspektiven, die wir einnehmen. Wie die von dir erwähnte Elternperspektive.
Ich finde den Blick auf gute Filme von dir hier sehr interessant: „Perspektiven erweitern, aber ihr Zielpublikum nicht aus den Augen verlieren.“ Das stimmt total, es ist kaum etwas schlimmer als total stupide Kinderunterhaltung, die einen als Erwachsene nur abnervt. Guten Kinderfilmen kann man auch später etwas abgewinnen, wie hier bei dir, mit den erweiterten Perspektiven, und trotzdem für Kinder funktionierend. Den Gedanken nehme ich mal mit, wenn meine Tochter nach und nach in ein Alter für erste Kinderfilme kommt.
Diesen Film hier kenne ich übrigens gar nicht, das wäre dann wohl einer der Filme, die wir in zwei, drei Jahren gemeinsam ansehen können, meine Tochter und ich. 🙂
Vielen Dank für deinen Kommentar. 🙂
Ich finde so einen Perspektivwechsel sehr wichtig, weil er für mich etwas über die Qualität eines Filmes aussagt. Klar darf/soll/muss ein Kinderfilm primär sein Zielgruppe im Blick haben. Sonst muss man auch darüber reden was der Unterschied zwischen Kinderfilmen Famiienfilm ist. Für mich sind gute Kinderfilme die die Themen kinngerecht behandeln ohne zu vereinfachen oder auszusparen. Andere gute Beispiele sind für mich zum Beispiel Pony (Studio Ghibli) oder Alles steht Kopf (Pixar).
Da ich Wo die wilden Kerle wohnen nie als Kind gesehen habe, kann ich nicht beurteilen wie der Film auf ein Kind wirkt. Ich habe die Vermutung, dass der Film überforderten sein kann. Besonders durch seine Art der Inszenierung. Was sicher auch geplant ist. Deswegen am besten mit dem Kind zusammen gucken und vielleicht sollte das Kind auch schon etwas älter sein und zu einer gewisse Reflexion fähig sein.